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Bild 1: Thomas Alva Edison (1847–1931), Quelle: gemeinfrei
Energietechnik | Energieverteilung | Energieerzeugung

Aus dem Facharchiv: Elektropraxis

Energie – Erzeugung, Handel und Transport (15)

23.11.2023

Die Stromversorgung für private Haushalte sowie Industrie-, Gewerbe- und Verkehrsbetriebe fußt in Deutschland und Europa größtenteils auf miteinander verbundenen Wechselstromnetzen. Hinzu kommen seit einigen Jahren in steigendem Maße Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Anlagen (HGÜ-Anlagen) für die Übertragung hoher Leistungen.

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Von Miesbach bis heute

Selbstverständlich war die Aufteilung in Wechsel- und Gleichstrom anfangs nicht; vielmehr ging dem Bau von Anlagen zur Stromübertragung über längere Strecken eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen zwei amerikanischen Unternehmen voraus. Wer diesen Streit gewonnen hat und wie die Entwicklung ab dem 19. Jahrhundert weiterging, wird im folgenden ersten Kapitel dargelegt. Die Funktionen und Spannungsebenen dieser Versorgungsnetze werden im zweiten Kapitel vorgestellt.

Für die Fernleitung setzte sich Wechselstrom durch

Die heute in der Stromversorgung bevorzugten Wechselstrom-(AC-)Systeme konnten sich erst nach einem heftigen Streit zwischen zwei Wissenschaftlern durchsetzen. Thomas Edison (Bild 1), der als einer der größten Erfinder aller Zeiten gilt – 1093 Patente sollen auf sein Konto gehen – nahm 1882 sein erstes Kraftwerk in Betrieb, das unter anderem die New Yorker Wall Street mit Gleichstrom versorgte. Den dafür benötigten Gleichstromgenerator hatte Edisons Mitarbeiter Nikola Tesla entwickelt. Der gebürtige Kroate beschäftigte sich aber bald auch mit der Wechselstromtechnik, die er nach einem heftigen Streit mit Edison fortan mit George Westinghouse zu einer in vielen Bereichen einsatzbaren Technologie entwickelte. Edison aber blieb stur, verzichtete auf die offensichtlichen Vorteile des Wechselstroms und versuchte stattdessen, seinen Konkurrenten zu diskreditieren. Doch Westinghouse konnte die in der Fachpresse als Stromkrieg bezeichnete Auseinandersetzung zunächst zu seinen Gunsten entscheiden. Thomas Edison dagegen musste später – so wurde kolportiert – seinem Sohn gestehen, nicht rechtzeitig auf Wechselstrom umgestellt zu haben, sei der größte Fehler seines Lebens gewesen. Sieger Westinghouse gelang auf der Weltausstellung 1893 der Durchbruch, als er einem großen Publikum aus aller Welt seine mit Wechselstrom betriebenen Lampen vorführen konnte.

Auch in Deutschland wurde an der Entwicklung von Elektrotechnik für den Einsatz in Industrie und Alltag gearbeitet. Im Jahr 1892 zeigte der deutsche Bauingenieur, Elektrotechniker und Wasserkraftpionier Oscar von Miller im Rahmen der Münchener Elektricitäts-Ausstellung weltweit erstmals die Möglichkeit, elektrische Energie über größere Entfernungen zu übertragen. Er und der Franzose Depréz entschieden sich dabei für die Gleichstromtechnik. Für das geplante Messe-Highlight ließen sie zunächst in Miesbach eine Dampfmaschine mit einem gekoppelten 1,5-PS-Dynamo aufbauen. Der mit diesem Maschinensatz erzeugte elektrische Gleichstrom floss dann mit einer Stromstärke von 0,5 A und einer Spannung von 2 kV über eine 57 km lange Telegrafenleitung (!) zum Glaspalast am Stachus in München und trieb dort die Pumpe eines Springbrunnens an. Vor allem der hohe Leitungswiderstand trug zum unbefriedigenden Wirkungsgrad von 25 % bei. Viel wichtiger war allerdings etwas anderes: Miller und Depréz gelang mit diesem Experiment erstmals der Nachweis, dass sich elektrische Energie über größere Strecken transportieren lässt, in diesem Fall in Form von Gleichstrom.

Bis zum Einsatz von Wechselstrom dauerte es nur bis zur Elektrizitätsausstellung in Frankfurt 1891. Dort konnte Oscar von Miller seinen Erfolg von München wiederholen, dieses Mal mit einem Drehstromübertragungssystem über 175 km von Lauffen am Neckar nach Frankfurt. Der von einer Wasserturbine angetriebene Generator lieferte drei phasenverschobene Wechselspannungen von 55 V, die auf 8,8 kV hochtransformiert wurden. 75 % der eingespeisten Leistung von etwa 147 kW kamen in Frankfurt an, womit der Wirkungsgrad rund dreimal besser war als knapp ein Jahrzehnt zuvor bei der Gleichstromübertragung zwischen Miesbach und München. Der wichtigste Vorteil dieser „Versuchsanordnung“ zeigt sich darin, dass sich die Spannung von Wechsel- bzw. Drehstromsystemen mit Hilfe von Transformatoren auf ein hohes Niveau anheben und damit gleichzeitig die Stromstärke sinken sowie die Kabelquerschnitte kleiner werden lässt. Damit wurde eine Übertragung elektrischer Energie über große Distanzen bei wirtschaftlich vertretbaren Kosten möglich.

Die Fernleitungen zwischen Miesbach und München bzw. Lauffen und Frankfurt markieren den Beginn des Aufbaus eines inzwischen länderübergreifenden Stromnetzes. Das europäische UCTE-Netz als Beispiel reicht von Dänemark bis Griechenland, von Polen bis Portugal. Es versorgt rund 450 Mio. Menschen mit Strom und produziert jährlich beinahe 2 300 TWh.

Autor: W. Wilming

Der vollständige Artikel ist in unserem Facharchiv nachzulesen.

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