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(Foto: Jürgen Fälchle/stock.adobe.com)
Blitz- und Überspannungsschutz

Leseranfrage

Überspannungsschutz bei Hauseinführung über den Dachboden

02.04.2019

Welche Maßnahmen und Installationen sind bei einem Bauernhaus ohne Blitzschutz- und Erdungsanlage für einen effektiven Blitz- und Überspannungsschutz nötig?

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Frage: Ein Bauernhaus mit Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachboden, das weder mit einer Blitzschutzanlage noch mit einer Erdungsanlage ausgestattet ist, wird von einem Freileitungs-Ortsnetz mit TN-C-System versorgt. Der Vierleiter-Hausanschluss wird in den Dachboden eingeführt. An dieser Stelle befindet sich auch der Hausanschlusskasten. Zwischen diesem und dem im Obergeschoss angeordneten Zählerplatz liegt ein 10 m langes Kabel. Zum Überspannungsschutz habe ich folgende Fragen. 1. Ist für den Überspannungsschutz ein Erder erforderlich, wenn das Haus keine Blitzschutzanlage bekommt? 2. Für den Grobschutz empfiehlt sich meines Erachtens ein Überspannungsschutzgerät Typ 1 und Typ 2 mit drei Schutzpfaden (3+0-Schaltung), jeder mit getriggerter Funkenstrecke (mit dritter Elektrode, die durch Varistoren gesteuert wird), das für jeden Außenleiter zwei miteinander verbundene Anschlussklemmen besitzt und einen Schutzpegel von max. 1,5 kV hat. Ist das richtig? 3. Wo sollen das vorgenannte Gerät und die Haupterdungsschiene angeordnet werden? 4. Ist ein Mittelschutz am Zählerplatz erforderlich? 5. Welche weiteren Maßnahmen gegen schädliche Auswirkungen atmosphärischer Entladungen würden Sie empfehlen? 6. Können Blitzeinschläge in das Haus durch Erdverbindungen an diesem, z. B. durch eine Blitzschutzanlage, erst provoziert werden? Antwort: Zu 1.: Ja. Zum Überspannungsschutz gehört ein Erder. Wenn dieser nur dafür dient, sind weder Form noch Abmessungen vorgeschrieben und muss kein maximaler Erdungswiderstand eingehalten werden. Die Nutzung von Gasleitungen als Erder ist unzulässig. Andere „natürliche Erder“ (z. B. metallene Wasserleitungen) können benutzt werden. Für den Fall, dass solche Erder fehlen, empfehle ich etwa die Hälfte eines Ringerders, wie er sonst für eine Blitzschutzanlage hergestellt würde. Bei späterer Nachrüstung einer Blitzschutzanlage kann der Rest des Ringerders hinzugefügt werden. Zu 2.: Ja. Dieses Gerät kann empfohlen werden, wenn die Hauptleitung von der Hauseinführung bis zu ihm als TN-C-System ausgeführt ist. Für den Einbau ist ein plombierbares Gehäuse mit Hutschiene zum Aufrasten sowohl des Gerätes als auch von Klemmen für das Auftrennen des PEN-Leiters in den Neutralleiter und den Schutzleiter ([1], Bild 2, [2]) erforderlich. Zu 3.: Das Überspannungsschutzgerät (SPD) für den Grobschutz soll eigentlich so nah wie möglich am Speisepunkt (an der Hauseinführung) der Hauptleitung errichtet werden ([3], Abschn. 534.4.1). Vorrang hat jedoch die Begrenzung der Länge der Anschlussleitungen des SPD auf 0,5 m ([3], Abschn. 534.4.8). Sie zwingt zur Anordnung des SPD bei der Haupterdungsschiene. Diese wiederum muss in der Nähe des Erders installiert werden. Das ist sehr wichtig für die Wirksamkeit des Überspannungsschutzes. Für den vorliegenden Fall empfehle ich, die Haupterdungsschiene und das für den Grobschutz bestimmte SPD nach Punkt 2. im Keller, etwa vertikal unter dem Hausanschlusskasten anzuordnen sowie die Hauptleitung entsprechend umzulegen. Wenn sich dort kein vor Hochwasser sicherer Keller befindet, bleibt noch die Anordnung im Erdgeschoss. Das SPD nach Punkt 2., der Erdungsleiter und alle Potentialausgleichsleiter müssen an die Haupterdungsschiene angeschlossen werden. Diese ist sozusagen der zentrale Punkt des Überspannungsschutzes. Vom SPD für den Grobschutz zum Zählerplatz muss ein neuer Abschnitt der Hauptleitung gelegt werden. Wenn alle Stromkreise im Haus das TN-S-System aufweisen und der Zählerplatz entsprechend gestaltet ist, darf dieser Abschnitt auch als TN-S-System (mit fünf Adern) ausgeführt werden. Jedoch geht das nicht, wenn auch nur ein einziger Stromkreis das TN-C-System hat; denn einem TN-C-System darf kein TN-S-System vorgeordnet sein. Zu 4.: Ja. Am Zählerplatz ist ein SPD Typ 2 als Mittelschutz erforderlich ([3], Abschn. 534.4.1), weil die Leitung zwischen dem SPD für den Grobschutz und dem Zählerplatz relativ lang ist. Je nachdem, ob diese Leitung als TN-C-System oder TN-S-System betrieben wird, muss ein SPD mit 3+0-Schaltung oder 4+0-Schaltung eingesetzt werden ([4], Bild 3 c bzw. Bild 3 d und Tafel 1), und zwar hinter dem Zähler. SPDs Typ 2 werden von den Verteilnetzbetreibern nur in Energiefließrichtung hinter den Zählern geduldet, weil sie keine Funkenstrecke für das Verhindern eines Dauerstromes enthalten. Die Erdungsklemme des SPD Typ 2 wird bei dessen Installationsort mit dem Schutzleiter (PE) verbunden ([3], Anhang A, Bild A 8). Zu 5.: Wenn der Blitz in der Nähe des Hauses einschlägt, sei es in die Freileitung oder in ein anderes Objekt, so werden unterschiedliche Überspannungen über die energietechnischen und die informationstechnischen Leitungen in das Haus eingeführt. Darum müssen auch SPDs für den Grobschutz der informationstechnischen Anlagen in der Nähe der Haupterdungsschiene installiert und an diese angeschlossen werden. Für empfindliche Betriebsmittel und für solche, die sowohl an das energietechnische als auch an ein informationstechnisches Netz angeschlossen werden, empfehle ich steckbare SPDs Typ 3 ([5]). Diese haben einen niedrigen Schutzpegel und werden mittels Steckvorrichtungen in die Anschlussleitungen eingefügt. Zu 6.: Das halte ich für wenig wahrscheinlich. Für die extrem hohe Spannung der Gewitterwolke und die entsprechend große Feldstärke in Bodennähe spielt der Widerstand des Hauses keine wesentliche Rolle. Maßgebend für die Einschlagwahrscheinlichkeit ist die Erhebung des Objektes über seine Umgebung ([6], Abschn. 1). Der Blitzschutz erhöht auf jeden Fall die Sicherheit. Blitz- und Überspannungsschutz ergänzen einander ([6], Abschn. 5). Literatur:

[1] Hering, E.: Aktuelle Blitzstromableiter für die Hauptleitung. Elektropraktiker, Berlin 67 (2013) 2, S. 129–134.


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