Frage:
In meinen Seminaren kommt es immer wieder vor, dass ich auf die Prüfung des Schutzleiters eingehe und erkläre, dass es dort die Pflicht gibt, mit Messgeräten zu arbeiten, die mindestens einen Messstrom von 0,2 A während der Prüfung verwenden. Nun fragte ein Teilnehmer, wofür der erhöhte Strom gut sei und welche „besseren“ Erkenntnisse“ das Messgerät bei Verwendung eines solchen Stromes gegenüber einem normalen Multimeter (Ohmmessung) liefert. Ich sagte darauf hin, dass der größere Strom u. a. dazu dient, schlechte Verbindungen im PE-Leiter aufzuspüren. Wir können hier mal davon ausgehen, dass das verwendete (normale) Multimeter eine Messgenauigkeit von 10 mOhm aufweisen würde. Das rein prinzipbedingt sehr niederohmige Widerstände rein messtechnisch nur über sehr große Ströme im Prüfling (z. B. sehr dicke Wicklungen von Motoren etc.) und eine Spannungsmessung genau zu bestimmen sind, ist uns bei unserer Frage bekannt. Der Frage sind wir dann mit einem Experiment nachgegangen. Leider gingen mir nach diesem Versuch die Argumente aus. Warum besteht die Norm hier auf einen Mindestprüfstrom von 0,2 A. Wo liegt der Nutzen dieser Forderung?
Antwort:
Auch in meinen Seminaren bin ich schon häufiger mit dieser Frage konfrontiert worden. Es hat dann jedoch eine etwas längere Zeit gedauert, bis sich zumindest ansatzweise etwas dazu in den Archiven finden ließ.
Warum die Normung jedoch ausgerechnet DC 200 mA fordert, lässt sich anhand der mir zugänglichen Quellen leider nicht mehr sicher rekonstruieren. Daher kann trotz intensiver Recherche diese Frage nicht abschließend geklärt werden. Darüber hinaus sind viele der damaligen Akteure im VDE-Gremium nicht mehr aktiv oder gar längst verstorben. Glücklicherweise waren die Akteure in der DDR viel schreibfreudiger, sodass zumindest die dortige Sichtweise gut dokumentiert ist.
Einen Hinweis aus DKE-Kreisen gab es dann aber doch noch: Die 200 mA stammen wohl ursprünglich aus der internationalen Normung zur Anlagenprüfung. Die an der Erarbeitung der Norm Beteiligten seien sich damals einig gewesen, dass die 200 mA ein stabiles Messergebnis gewährleisten.
Einen historischen Exkurs mit den ausführlichen Ergebnissen der Recherche lesen Sie bitte im Fachbeitrag ab Seite 529 [9] in diesem Heft.
Autor: M. Lochthofen
Literatur:
[1] DIN VDE 0701:1971-09 (zurückgezogen) Bestimmungen für die Instandsetzung, Änderung und Prüfung gebrauchter elektrischer Verbrauchsmittel (Geräte).
[2] DIN VDE 0404-2 (VDE 0404-2):1988-07 (zurückgezogen) Messen, Steuern, Regeln – Geräte zur sicherheitstechnischen Prüfung von elektrischen Betriebsmitteln – Geräte bei wiederkehrenden Prüfungen.
[3] DIN VDE 0100-610 (VDE 0100-610):1994-04 (zurückgezogen) Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000 V – Prüfungen; Erstprüfungen.
[4] ARBO 900 Arbeitsschutz- und Brandschutzordnung 900 „Elektrische Anlagen“ von 20.07.1961 GBl der DDR, Sonderdruck 339, VEB Deutscher Zentralverlag, Berlin.
[5] Hering, E.: Forderungen an Prüfgeräte für über Steckverbindung angeschlossene elektrische Betriebsmittel; Der Elektro-Praktiker 21 (1967) 2, S.46-52.
[6] Hering, E: Prüfgeräte für Betriebsmittel mit Steckverbinder; Der Elektro-Praktiker 25 (1971) 12, S. 387-392.
[7] Winkler, A.; Lienenklaus, E.; Rontz, A.: VDE Schriftenreihe Band 47, Sicherheitstechnische Prüfungen in elektrischen Anlagen mit Spannungen bis 1000 V – DIN VDE 0100, 0105, 0107, 018, 0165 und 0701; VDE Verlag Berlin und Offenbach 1991.
[8] TGL 200-0602 Blatt 3 Schutzmaßnahmen in elektrotechnischen Anlagen; Schutzmaßnahmen gegen zu hohe Berührungsspannung an betriebsmäßig nicht spannungsführenden Teilen in Anlagen bis 1000 V Ws oder 1500 V Gs.
[9] Lochthofen, M.: Messung des Schutzleiterwiderstands – Warum die Norm auf einen Mindestprüfstrom von 200 mA besteht, Elektropraktiker 74 (2020) 7; S. 529-531.
Dieser Artikel wurde unserem Facharchiv entnommen.