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Eines von vielen Wirkungsmodellen: Licht hat visuelle und nicht-visuelle Wirkungen; eine mit integrativer Lichtqualität geplante Beleuchtung ist eine intelligente Planung und kann heute die funktionalen, emotionalen und auch die biologischen Bedürfnisse des Menschen unterstützen (Quelle: licht.de/ep)
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Aus dem Facharchiv: Elektropraxis

Integrative Lichtqualität ist mehr als nur „HCL“ - Erläuterungen zu den „Weimarer Thesen“ (1)

08.10.2020

Die „Weimarer Thesen“ beschreiben für Lichtplaner, Lichtplanende, Ingenieure und Architekten und auch für lichtausführende Firmen die moderne „Integrative Lichtqualität“ und damit aktuelle Grundsätze für eine ganzheitliche und attraktive Lichtplanung sowie für eine moderne Beratung und Ausführung von Licht- und Beleuchtungsanlagen. Diese Thesen werden im Folgenden näher erläutert.

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Im Rahmen des 5. Praxisforums Biologische Lichtwirkungen (BioWi), das im September 2017 in Weimar stattfand, wurden die bisherigen gesammelten Erfahrungen auf dem Gebiet von mehreren Experten zusammengefasst und als „Weimarer Thesen“ erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt (siehe dazu auch den Beitrag in ep 12-2017, ab S. 1032). Zu den mitverfassenden Experten gehören neben dem Autor dieses Beitrags Dr. Renate Hammer (Architektin und Spezialistin für Tageslichtplanung; Institute of Building Research & Innovation, ZT; Wien); Prof. Mathias Wambsganß (FH Rosenheim), sowie Prof. Dr.-Ing. Tran Quoc Khanh (TU Darmstadt; FG Lichttechnik).

Präambel

Licht ist biologisch wirksam, unabhängig davon, ob es natürlichen oder künstlichen Ursprungs ist und ob Wirkungen unbewusst verursacht oder gezielt geplant werden. Neben den visuellen Effekten, die Sehen ermöglichen, gibt es wissenschaftlich fundiert belegte, nicht-visuelle Wirkungen (Bild). In beiden Fachgebieten besteht weiterhin Forschungsbedarf. Gesichert ist, dass Licht das körperliche und geistige Wohlbefinden beeinflusst sowie Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Entspannung unterstützt. Daher muss ganzheitliche Lichtqualität neben der Erfüllung traditioneller Gütemerkmale auch die nicht-visuellen Wirkungen berücksichtigen und gestalterisch ansprechende Lösungen bieten, die in der Praxis auch umsetzbar sind. Dieser Ansatz wird unter dem Begriff „Integrative Lichtqualität“ – kurz ILQ – zusammengefasst. Er berücksichtigt die bisher bekannten visuellen („Gutes Licht“, EN 12464 u. a.) und nicht visuellen Lichtqualitäten (biologische Lichtwirkungen, Human Centric Lighting – HCL u. a.) und ist offen für zukünftige diesbezügliche Erkenntnisse. Darüber hinaus bedingt integrative Lichtqualität eine zeitlich und fachlich verbindliche Verankerung in die tatsächlichen Planungs- und Bauprozesse so, dass sie von Anfang an, integrativ und durchgängig Berücksichtigung finden kann.

Lebensmittel Licht

Lichtplaner und Licht planende Ingenieure und Architekten haben aufgrund ihrer beruflichen Definition und Position am Markt eine herausragende Verantwortung zur Planung von qualitätsvollen und attraktivem Licht. Erfolgt – aus welchen Gründen auch immer – keine Lichtplanung, sind immer öfter auch ausführende Elektro- und Lichtfirmen in der besonderen Verantwortung, den Kunden zum „Lebensmittel Licht“ und dessen Qualitäten fach- und sachgerecht zu beraten. Ziel der „Weimarer Thesen“ ist es, speziell bei diesen Berufsgruppen, aber auch bei Auftraggebern und Nutzern das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Umsetzung integrativer Lichtqualität in die Praxis zu fördern. Sofern beauftragt, vertreten Ingenieure und Architekten die Interessen von Auftraggebern und Nutzern während der Planung und des Bauens, zugunsten von Wohlbefinden und Gesundheit sowie im Sinne des Verbraucherschutzes. Sind keine Planer beauftragt, übernimmt die ausführende Elektrofirma wesentliche Beratungsaufgaben gegenüber dem Bauherrn, auch was die Eignung der zu installierenden (künstlichen) Beleuchtungsanlage betrifft. Ungeeignete Lichtlösungen können sich auf einzelne Individuen negativ auswirken und daraus resultierend massive gesellschaftliche Nachteile, nicht zuletzt volkswirtschaftlich relevante Folgekosten, nach sich ziehen. Die seit dem 01.01.2018 in Deutschland verbindlich eingeführten neuen gesetzlichen Regeln im Bürgerlichen Gesetzbuch zu Bau-, Planungs- und Kaufverträgen gelten auch für die Licht- und Beleuchtungsplanung und deren Ausführung. Sowohl für Planer als auch für ausführende Elektro- und Lichtfirmen eröffnen sich damit neue Chancen, den Ansprüchen „Integrativer Lichtqualität“ in der Praxis zu entsprechen (siehe vertiefend dazu die Beitragsreihe „Bedeutung des BGB 2018 für die Elektro- und Lichtpraxis“ des Autors ab der Ausgabe 06-2018 des ep). Die „Weimarer Thesen“ sollen zur Umsetzung von gesundem und attraktivem Licht durch frühzeitige und wirtschaftlich sinnvolle Berücksichtigung in Entscheidungs-, Planungs- und Bauprozessen, wie sie künftig ablaufen werden, beitragen.


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