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Der ehemalige Grenzübergang Marienborn 2017 (Foto: privat)
Geschichte

Überwachsungstechnik der DDR

Die geheimen Tunnelanlagen von Marienborn

03.10.2018

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ – wer kennt ihn nicht, den wohl berühmtesten Satz Walter Ulbrichts, den er in bester sächsischer Manier am 15. Juni 1961 in Berlin vor laufenden Kameras verkündete. Was zwei Monate später in der Hauptstadt der DDR begann, lehrte uns die Geschichte.

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Nach und nach wurden in der gesamten Deutschen Demokratischen Republik Grenzanlagen errichtet, die nur einem Zweck dienen sollten: Die Menschen vor der Republikflucht abhalten. Die Mauer, wie man die Grenzanlagen im Volksmund nannte, wurde zum Symbol der deutschen Teilung von 1949 bis 1989. 

Lückenlose Überwachung

Während die Bundesrepublik Deutschland (BRD) sich entwickelte, gab es auf der anderen Seite der Mauer ein kleines Land, das zwar ebenfalls große Pläne hatte, jedoch in vielerlei Hinsicht der BRD nur hinterherschauen konnte. „Überholen ohne Einzuholen“ lautete ein Propaganda-Slogan Ulbrichts, der zwar eine Forschungsstrategie beschreiben sollte, stattdessen aber zum Synonym für die Mangelwirtschaft der DDR wurde. Doch in zwei Punkten setzte man in der DDR Maßstäbe, dass selbst der „Feind im imperialistischen Ausland“ ins Staunen geriet. Die Überwachung der eigenen Bevölkerung und die Verhinderung der Republikflucht führten zu einem gigantischen Spionagesystem, das nahezu lückenlos funktionierte. Vor allem Grenzübergänge zur BRD erfuhren eine technische Aufrüstung. Der ehemalige Grenzübergang Marienborn an der A2 zwischen Berlin und Hannover, den man heute als Gedenkstätte besichtigen kann, ist nur ein Beispiel, wie einfallsreich man in der DDR war, um Grenzverletzungen zu verhindern. Einst war es das Nadelöhr Richtung Westen, wo alleine zwischen 1985 und 1989 etwa 34,6 Millionen Reisende abgefertigt wurden. Sie erlebten hautnah Schikane und ahnten doch nicht, was wirklich geschah.

Sichttechnik auf radioaktiver Basis

In Marienborn war, wie später auch an den anderen Grenzübergängen zur BRD, ein Gammastrahler unter dem Decknamen "Technik V" installiert. Jeder Durchreisende auf den Transitstrecken wurde an der Grenze einer unsichtbaren und geruchslosen Strahlenbelastung durch harte ionisierte Gammastrahlung ausgesetzt – natürlich ohne das Wissen und somit Einverständnis der Reisenden, das die Grenzer auch nie bekommen hätten. Selbst die DDR-Zöllner ahnten nichts von der radioaktiven Kontrolltechnik. Sie wurden durch eine strenge „Betreteordnung“ von gefährlichen Punkten ferngehalten. Nur wenige Mitarbeiter wussten von den ab 1980 insgesamt 17 eingesetzten Gamma-Kanonen an der innerdeutschen Grenze. Sämtliche Fahrzeuge wurden bei jeder Passage durchleuchtet, auch alle Mitreisenden vom Säugling bis zur Schwangeren. So wollte man Fluchtversuche aufdecken, denn die Strahlung machte jeden Menschen in den Personen- und Lastkraftwagen als dunklen Fleck sichtbar. Da nützte auch das beste Versteck nichts. Mittels Codewörter wurden die Funde gemeldet. Am 09. November 1989 fiel die Mauer und damit auch der Grenzübergang Marienborn. Der Gammastrahler (Gamma-Kanone) wurde nach dem Mauerfall mit weiteren radioaktiven Stoffen der NVA in der Sammelstelle für radioaktive Abfälle (SaFrA) der Bundeswehr in Storkow zwischengelagert. Die Bundeswehr führte später alle Materialien aus Storkow einer gesetzteskonformen Beseitigung zu. 


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Autor
Name: Antje Schubert