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Montage eines Rotorblattes an der Nabe einer 6-MW-Windturbine (Foto: Siemens)
Regenerative/Alternative Energien | Windkraftanlagen

Strom aus Windenergie

Teil 2: Regelung, Stromerzeugung und Konstruktion des Triebstranges

22.11.2018

Die deutschen Windturbinen erzeugten im vergangenen Jahr Energie in einer Höhe von insgesamt 77,5 TWh, rund doppelt soviel wie die Photovoltaikanlagen. Die Windenergie ist die mit Abstand wichtigste regenerative Stromquelle, und der Ausbau geht stetig voran.

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An Land sind zurzeit knapp 28 000 Windturbinen mit insgesamt 48 GW Leistung installiert, auf See sind es 1 055 Windturbinen mit 4,7 GW Leistung. Die Technologie wird stetig weiterentwickelt, damit die Windenergie als wichtige Säule der Stromversorgung dienen kann. Weil die Leistung des Windes mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit anwächst [1], muss der Leistungsfaktor der Windturbine heruntergeregelt werden, sobald sich ihre Leistung der Nennleistung nähert. Die Regelung muss dafür sorgen, dass der Rotor dem Wind immer kleinere Energieanteile entzieht. Oberhalb der Nennleistung muss die Leistung der Windturbine möglichst konstant bleiben, während die Leistung des Windes immer weiter anwächst. Bei Nennleistung ist die Leistung des Windes etwa viermal so groß wie die der Windturbine, bei 25 m/s (Windstärke 10) ist sie schon etwa zwanzigmal so groß. Erst dann wird der Rotor abgebremst und die Windturbine abgeschaltet. Ohne diese Leistungsregelung würde der Rotor immer schneller drehen. Die Fliehkraft würde schließlich ein Rotorblatt abreißen, und die Unwucht würde die Windturbine umwerfen – was in der Pionierzeit der Windenergie nicht selten geschehen ist. Die Leistungsregelung ist also die wichtigste Voraussetzung für einen zuverlässigen und langlebigen Betrieb einer Windturbine.

Stall-Effekt des starren Rotorblattes

Wenn die Rotorblätter nicht in der Längsachse gedreht werden können, also starr sind, dann begrenzt oberhalb der Nennleistung der Strömungsabriss (Stall-Effekt) an den Rotorblättern die Leistung der Windturbine. Denn der Asynchrongenerator dieser „Stall-Windturbine“ ist direkt mit dem Netz verbunden, sodass er der Netzfrequenz folgen muss. Während der Wind weiter auffrischt, bleibt die Drehzahl des Rotors konstant, sodass die Anströmung des Rotorblattes immer weiter von der idealen Anströmung abweicht. Schließlich reißt die Strömung ab und es bilden sich oberhalb des Rotorblattes Wirbel, sodass der Auftriebseffekt stark abgeschwächt wird. Doch angesichts der Kräfte des Windes, die auf das Rotorblatt einwirken, überwindet die Windenergie schließlich die Kraft des Netzes, die dem Asynchrongenerator eine feste Drehzahl aufzwingt. Der Rotor wird beschleunigt und muss aktiv gebremst werden. Die erhöhten Fliehkräfte lösen die Blattspitzenbremse (Tip-Bremse) aus, die nach einem einfachen Prinzip funktioniert: Die drehbar gelagerten Blattspitzen werden nach außen getrieben, lösen sich dadurch aus ihrer Einrastung und verdrehen sich durch Federkraft um 90° gegenüber dem Rotorblatt, sodass der starke Luftwiderstand der Blattspitzen die Beschleunigung des Rotors verhindert. Der Rotor läuft langsamer und wird schließlich durch eine Scheibenbremse im Triebstrang vollständig abgebremst. Nach diesem Prinzip waren alle „Stall-Windturbinen“ aufgebaut, die von 1980 bis etwa 2000 in großen Stückzahlen errichtet wurden. Sie wurden in Dänemark entwickelt und bildeten das Rückgrat des ersten Booms in Dänemark und bald darauf auch in Deutschland. Trotz der einfach anmutenden Leistungsregelung konnten nach diesem Konzept Windturbinen bis 62 m Rotordurchmesser und bis 1 500 kW Leistung realisiert werden.

Rotor mit variabler Drehzahl

Doch es liegt auf der Hand, dass die starre elektrische Kopplung einer Windturbine mit dem Netz bei jeder Bö und erst recht bei Sturm zu Netzrückwirkungen führen muss, die nur toleriert werden können, solange die Windturbinen einzeln verstreut in der Landschaft stehen. Aber die Errichtung von Windparks und die enorme Leistungsverdichtung vor allem an der Küste ab etwa 1995 machte es erforderlich, die Drehzahl des Rotors von der elektrischen Frequenz zu entkoppeln. Wenn der Rotor nichts antreiben muss, sondern die Freiheit hat, jeder Änderung der Windgeschwindigkeit zu folgen, dann kann er auch die Energie, die in den Böen steckt, in Rotationsenergie umwandeln. So viel Freiheit hat der Rotor einer Windturbine natürlich nicht, denn er muss einen Generator antreiben, um Strom zu erzeugen. Aber seit etwa 1990 versucht man, diesem Ideal möglichst nahe zu kommen und die mechanische Drehzahl von der elektrischen Frequenz so weit wie möglich zu entkoppeln. Das gelingt durch die Einbindung leistungselektronischer Baugruppen und zugehörige regelungstechnische Maßnahmen. Man lässt also dem Rotor die Freiheit, der Bö zu folgen und sich für kurze Zeit schneller zu drehen, um die Energie der Bö kurzzeitig zu speichern. Die erhöhte Frequenz pflanzt sich im Triebstrang fort, sodass sich der Generator auch schneller dreht. Weil der „multifrequente“ Strom des drehzahlvariabel laufenden Generators nicht ins Netz eingespeist werden kann, wird er zunächst gleichgerichtet und anschließend auf 50 Hz umgerichtet. Der drehzahlvariable Betrieb eines Rotors ist technisch aufwendig, schont aber das Netz und erreicht eine höhere Ausbeute. Er hat sich innerhalb weniger Jahre durchgesetzt.


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