Zum Hauptinhalt springen 
Betriebsführung | Recht

Aus EU, Bundestag und Gerichtssälen

Recht & Gesetz (Juli 2017)

12.07.2017

Schlechte Zeiten für Samenspender. Außerdem: neue Verbote im Straßenverkehr, schwarze Liste für Unternehmen, mehr Transparenz beim Gehalt, Ohrfeigen für Jobcenter und das Ende der Wurstlücke – aktuelle Urteile und Gesetze im Überblick.

Seiten

Urteile

Hartz IV (1): Jobcenter trägt Gerichtskosten bei Fehlentscheidung Ein psychisch kranker Empfänger von SGB-II-Leistungen (Hartz IV) wurde Ende 2011 vom Jobcenter aufgefordert, Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. Parallel dazu leitete das Jobcenter 2012 bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) eine Prüfung der Erwerbsfähigkeit ein und stellte für den Leistungsempfänger einen Rentenantrag. Weil der Leistungsempfänger angeblich die Antragsformulare für die DRV nicht ausgefüllt hatte, strich das Jobcenter zum 1. März 2013 alle Leistungen. Daraufhin konnte der Leistungsempfänger seine Miete nicht mehr zahlen. Der Vermieter verklagte ihn auf Räumung wegen Mietschulden. Ab Juni 2013 bewilligte das Jobcenter wieder die SGB-II-Leistungen, da die DRV das Vorliegen aller ausgefüllten Anträge meldete. Nach Ausgleich der Mietrückstände zog der Vermieter die Räumungsklage zurück. Das Jobcenter war jedoch nicht bereit, die Gerichtskosten in Höhe von 857,68 Euro zu übernehmen. Dagegen klagte der Leistungsempfänger. Das Landessozialgericht Stuttgart verurteilte das Jobcenter zur Kostenübernahme. Die Mietrückstände seien kein Verschulden des Klägers gewesen, denn die Abgabe der ausgefüllten Rentenanträge stünde in keinem Zusammenhang mit der Klärung der Erwerbsfähigkeit. Außerdem habe das Jobcenter offenbar weder die psychische Erkrankung des Kläger berücksichtigt noch die Folgen der hundertprozentigen Streichung der Leistungen für dessen Wohnsituation. Eine Revision zum Bundessozialgericht wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen (Urteil vom 27. Juni 2017, Az L 9 AS 1742/14). Hartz IV (2): Jobcenter darf Mietkosten nicht deckeln Das Jobcenter Landkreis Görlitz reduzierte die Unterkunftskosten für eine alleinerziehende Mutter und ihre 16-jährige Tochter auf 296,10 Euro. Die Bruttokaltmiete ihrer Wohnung betrug 330 Euro. In einem anderen Fall kürzte das Jobcenter Sächsische Schweiz-Osterzgebirge die Unterkunftskosten einer alleinstehenden 58-jährigen Hartz-IV-Empfängerin auf 268,65 Euro. Hier betrug die Bruttokaltmiete der Wohnung 362 Euro. Beide Frauen klagten gegen die Reduzierung der Unterkunftskosten. Das Sozialgericht Dresden entschied zugunsten der Klägerinnen. Die Konzepte der Jobcenter Landkreis Görlitz und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge seien nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Deckelung der Unterkunftskosten sei deshalb in beiden Fällen unwirksam. Der Landkreis Görlitz hat gegen das Urteil Berufung beim Landessozialgericht Chemnitz eingelegt. Im zweiten Fall ist noch Berufung beim LSG Chemnitz möglich (Urteil vom 8. Mai 2017, Az S 20 AS 3514/14). Arbeitsunfall: Nach 51 Jahren anerkannt Ein Gleisbauhelfer der Deutschen Reichsbahn erlitt nach eigenen Angaben 1966 einen Arbeitsunfall. Beim Versuch, eine entgleiste Kleinlokomotive mit einer Winde aufs Gleis zu setzen, seien der kleine Finger der linken Hand, das Handgelenk und der Mittelhandknochen gequetscht worden. Der kleine Finger musste amputiert werden. Einen Arbeitsunfall konnte die Unfallversicherung Bund und Bahn nicht erkennen. Der Gleisbauhelfer besaß keine Unterlagen mehr, um den Unfall zu beweisen. Er klagte deshalb vor dem Sozialgericht Dresden. Nach Prüfung der Einträge im Sozialversicherungsweis des Klägers und der schriftlichen Aussage eines Zeugen, der den Unfall als Kollege erlebt hatte, gab das Gericht der Klage statt. Auch wenn das Unfalltagebuch beim Landesamt für Arbeitsschutz in Eberswalde nach einem Hochwasser nicht mehr vorhanden ist, habe ein Sachverständiger bestätigt, dass der Gesundheitsschaden auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Der Kläger kann deshalb Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Urteil vom 29. Mai 2017, Az S 39 U 320/1). Wurstkartell: Gesetzgeber schließt Wurstlücke Das Bundeskartellamt musste Bußgelder in einer Gesamthöhe von 238 Millionen Euro aufheben. Verhängt wurden sie gegen die Bell Deutschland Holding, Marten Vertriebs GmbH & Co. KG und Sickendiek Fleischwarenfabrik. Ebenso mussten Verfahren gegen Böklunder Plumrose und Könecke Fleischwarenfabrik (beide Zur-Mühlen-Gruppe) mit Bußgeldern in Höhe von insgesamt 128 Millionen Euro eingestellt werden. Die Bußgelder wurden 2014 verhängt, weil die Wursthersteller seit ca. 2003 gemeinsame Preiserhöhungen für Roh-, Brüh-, Kochwurst und Schinken abgesprochen hatten. Dadurch konnten sie höhere Preise beim Einzelhandel durchsetzen. Alle Unternehmen nutzten die sogenannte Wurstlücke im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), um keine Bußgelder zahlen zu müssen. Bis 2016 konnten sich Unternehmen den Bußgeldern entziehen, wenn sie das haftende Tochterunternehmen im Rahmen einer Umstrukturierung verschwinden ließen. Diese Lücke wurde 2016 mit der GWB-Novelle geschlossen. Jetzt haften auch die Rechtsnachfolger der Tochterunternehmen. Zum Zeitpunkt der Kartellverfahren war die Wurstlücke jedoch legal. Gebühren (1): Versandkosten für Tickets sind unwirksam Das Oberlandesgericht Bremen erklärte bestimmte Gebühren eines Onlineanbieters von Veranstaltungstickets für unwirksam. Sowohl die Bearbeitungsgebühr von 29,90 Euro für den Premiumversand als auch die Gebühr von 2,50 Euro für das Selbstausdrucken der Tickets dürfen nicht mehr erhoben werden. Gegen die Gebühren hatte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen geklagt. Das Gericht erklärte, dass der Tickethändler den Versand der Tickets vertraglich ohnehin schulde. Beim Selbstausdrucken durch den Ticketkäufer entstehen dem Tickethändler außerdem keine eigenen Aufwendungen außer der Bereitstellung eines Links zum Download des Tickets. Wegen grundsätzlicher Fragen hat das Gericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen (Urteil vom 15. Juni 2017, Az 5 U 16/16) Gebühren (2): Kreditbearbeitungsgebühren für Unternehmen sind unwirksam Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte zusätzliche Bearbeitungsgebühren für Darlehensverträge mit Unternehmen für unwirksam. Geklagt hatten Unternehmen, in deren Darlehensverträgen die Bank eine Klausel eingefügt hatte, nach der ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt bzw. eine Bearbeitungsgebühr zu zahlen sei. Der BGH begründete seine Entscheidung u. a. damit, dass die Unternehmen bereits Zinsen für die Darlehen zahlen. Weitere Gebühren würden die Darlehensnehmer unangemessen benachteiligen. Nach dem Urteil können Unternehmer, Gewerbetreibende und Selbständige Kreditbearbeitungsgebühren für Darlehensverträge ab 2014 zurückfordern. Für die Zeit davor gilt die dreijährige Verjährungsfrist (Urteil vom 04. Juli 2017, Az XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16)

Gesetze & Verordnungen

Wettbewerbsregister: Schwarze Liste für schwarze Schafe Der Bundestag verabschiedete mit dem Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) eine Erfassung von Unternehmen, die schwerwiegende Rechtsverstöße begangen haben. Zu den Rechtsverstößen zählen u. a. Bestechung, Kartellrechtsverstöße, Steuerhinterziehung, Betrug sowie Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das Mindestlohngesetz oder das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Unternehmen, die im Wettbewerbsregister erfasst wurden, werden von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. Das bundesweite Register wird vom Bundeskartellamt geführt. Erfasste Unternehmen sind vor der Eintragung anzuhören. Nach der Eintragung besteht die Möglichkeit der Löschung, sofern das Unternehmen seine Zuverlässigkeit nachweist. Ab einem Auftragswert von 30.000 Euro sind öffentliche Auftraggeber und Konzessionsgeber verpflichtet, sich vor Auftragserteilung im Wetbewerbsregister über das zu beauftragende Unternehmen zu informieren. Internet: Breitbandgeschwindigkeiten jetzt definiert Die Bundesnetzagentur hat erstmals Breitbandgeschwindigkeiten im Festnetz definiert. Demnach liegt eine nicht vertragskonforme Leistung vor, wenn bei Festnetz-Breitbandanschlüssen im Download


Seiten

Autor
Name: Jürgen Winkler