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Meldung zu „Megablitz“ in Essen [1] Am 29.04.2016 um 6.00 Uhr wurde in Essen ein Blitz registriert, der auf 405000 Ampere geschätzt wurde. Er war zu stark, um seine Stärke sicher bestimmen zu können. (Foto: Lars Wienand)
Blitz- und Überspannungsschutz | Elektrosicherheit | Normen und Vorschriften

Aus dem Facharchiv: Elektropraxis

Extrem hohe Blitzströme - Diskussion über die Genauigkeit von Blitzortungssystemen

13.02.2020

Blitze sind nach wie vor eine enorme Schadensquelle für Personenschäden, Brände, mechanische Zerstörungen und insbesondere auch Überspannungen. Das zeigen nicht zuletzt aktuelle Statistiken der Schadensversicherer.

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Immer wieder gibt es Meldungen über extrem hohe Blitzströme, die natürlich auch zu großen Schäden und Zerstörungen führen können. Dabei werden Scheitelwerte von teilweise deutlich über 300 kA genannt. Dies wirft Fragen auf, da die 
„klassische“ Blitzstatistik (z. B. nach CIGRE und IEC [8][10]) bisher solche Werte nicht kennt. Diese extremen Blitzströme werden meist aus den Daten 
von Blitzortungssystemen ermittelt.

Schäden 
durch Megablitze

Im Jahre 2016 findet sich eine Meldung über einen „Mega-Blitz“ in Essen in der Tagespresse [1]. Der Scheitelwert wird auf Basis der Messungen des Blitzortungssystems BLIDS (Blitz Informationsdienst Siemens) mit 405 kA angegeben (Bild). In der Nähe von Berching in Bayern ist eine gewaltige Eiche durch einen Blitzeinschlag im wahrsten Sinne zerborsten. BLIDS hat am 8. Juni 2016 genau an der Stelle praktisch zeitgleich (Zeitabstand 2 µs!) zwei Wolke-Erde-Blitze von 335,1 bzw. 347,3 kA registriert [2]. Das waren gewaltige „kalte“ Blitze. Kalt, da der Blitz nicht gezündet und somit den Baum auch nicht abgebrannt hat. Durch die Stromstärke des Blitzes und die damit verbundene starke Hitzeentwicklung wird die Flüssigkeit im Baum binnen Bruchteilen von Sekunden zu Wasserdampf. Dieser dehnt sich „blitzschnell“ aus, da aus einem Liter Wasser unter Normalbedingungen 1673 Liter Wasserdampf entstehen, und der Baum wird gesprengt. Im Fall der Eiche ist davon auszugehen, dass tatsächlich nur eine einzige stromstarke Entladung aufgetreten ist. Derartige Entladungen werden auf Grund der extrem großen Feldamplituden von 40 und mehr Ortungssensoren registriert, die viele hundert Kilometer vom Einschlagsort entfernt sind. Es kommt, wie im vorliegenden Fall, dann manchmal vor, dass der Ortungsalgorithmus aus der verfügbaren Fülle an Sensormeldungen zwei nahezu zeitgleiche Entladungen ermittelt, obwohl in der Realität nur ein einziges Blitzereignis stattgefunden hat. Detaillierte Untersuchungen zu Blitzeinschlägen in Bäume siehe [3]. Es stellt sich natürlich die Frage, inwieweit solch stromstarke Blitze wirklich existieren. Naturgemäß beruhen die Angaben der Stromscheitelwerte bei der Blitzortung auf einer Modellrechnung ausgehend von Scheitelwerten der gemessenen elektromagnetischen Felddaten. Dennoch werden die daraus ermittelten Scheitelwerte in wissenschaftlichen Publikationen und Informationen für die Öffentlichkeit direkt herangezogen, ohne darauf hinzuweisen, dass sie lediglich Ergebnis einer Modellrechnung sind, und daher natürlich mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind.


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