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Energietechnik/-Anwendungen

Energiewende: Braunkohlekraftwerk Buschhaus stillgelegt

Der Rubel rollt auch ohne Strom

18.10.2016

Das Kraftwerk Buschhaus hat seinen Volllastbetrieb eingestellt. Bis 2020 wird es als Reserve vorgehalten, danach folgt die Demontage. Bei denEigentümern klingeln jetzt die Kassen – ein Lehrbeispiel für die krummen Wege der Energiewende.

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Helmstedt ist ausgekohlt Das niedersächsische Braunkohlekraftwerk Buschhaus sollte bis 30. September 2016 Strom liefern. Doch das Helmstedter Revier ist ausgekohlt. Die letzten Vorräte aus dem Tagebau Schöningen, der das Kraftwerk mit Kohle versorgte, waren am Abend des 23. September aufgebraucht. Deshalb wurde das Kraftwerk schon am 23. September 2016 heruntergefahren – eine Woche früher als geplant. Die offizielle Stilllegung erfolgte am 30. September 2016. 140 Jahre Braunkohleförderung im Helmstedter Revier sind Geschichte. Mit der Stilllegung ging das Kraftwerk Buschhaus nicht endgültig vom Netz. Es wechselt in die Braunkohlereserve, die die Bundesregierung am 23. Juni 2016 mit dem Strommarktgesetz beschloss (siehe auch: Gesetze in Serie). Das Strommarktgesetz legt den Beginn des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung auf das Jahr 2020 fest. Bis dahin werden acht Braunkohleblöcke als Kapazitätsreserve vorgehalten – auch nach ihrer Stilllegung. Das Bundeswirtschaftsministerium betrachtet die Kapazitätsreserve als "Sicherheitsnetz für unvorhersehbare Ereignisse". Tritt ein solches Ereignis ein, können die Braunkohlekraftwerke auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers wieder angefahren werden. Hartz IV für Kraftwerke Dafür, dass die acht Kraftwerksblöcke bis 2020 keinen Strom liefern sollen, erhalten die Eigentümer RWE, Mibrag (Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH) und Vattenfall insgesamt 1,6 Milliarden Euro. Nach einer Entscheidung der Bundesregierung wird die Stillstandsprämie nicht aus dem Staatshaushalt beglichen. Der Betrag von 1,6 Milliarden Euro ist Teil der Netzentgelte auf den Stromrechnungen der Endverbraucher. Dass sowohl die Stillstandsprämie als auch die zusätzliche Belastungen der Stromkunden zweifelhaft sind, ist Minister Gabriel bewusst. Er selbst lehnte noch 2014 ab, Kraftwerksbetreiber für stillstehende Kraftwerke zu belohnen: "Was der Kapazitätsmarkt nicht werden kann, ist so was wie Hartz IV für Kraftwerke: Nicht arbeiten, aber Geld verdienen." Mit seinem launigen Spruch traf Gabriel einen wunden Punkt – sehr zum Missvergnügen der Energiekonzerne und Gewerkschaften Verdi und IG Bergbau, Chemie, Energie. Sie reagierten mit maximaler Empörung. Auch der SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) verweigerten sich der Linie des Wirtschaftsministers. NRW ist Braunkohleland, Braunkohlekumpel sind SPD-Wähler, Ende der Diskussion. Gabriel beugte sich dem Druck und schrieb die Stillstandsprämie ins Strommarktgesetz. Auf das Gesetz angewandt, würde sein Satz heute lauten: "Was der Kapazitätsmarkt werden soll, ist so was wie Hartz IV für Kraftwerke: Nicht arbeiten, aber 1,6 Milliarden Euro verdienen." In der Europäischen Union sieht man die 1,6-Milliarden-Euro-Prämie kritischer. Möglicherweise erfüllt sie den Tatbestand der illegalen Subvention. Kohle in Gold verwandeln Die Milliardenprämie ist nur der Einstieg in ein viel größeres Geschäft mit der Braunkohle – zumindest dort, wo 2016 eine Gruppe tschechischer Investoren die Geschäfte von Vattenfall übernahm. Der schwedische Staatskonzern verkaufte am 31. August 2016 seine deutsche Braunkohle-Sparte an die Unternehmen EPH und PPF. Im September 2016 stimmte die EU-Kartellbehörde dem Kauf zu, damit ist er rechtskräftig. EPH (Energetický a Průmyslový Holding) besitzt bereits die Mibrag und die Helmstedter Revier GmbH, zu der das Kraftwerk Buschhaus gehört. Nach dem Geschäft mit Vattenfall vergrößert sich das Portfolio von EPH um das Lausitzer Revier mit den Braunkohletagebauen Jänschwalde, Nochten, Welzow Süd, Reichwalde und Cottbus Nord. Dazu kommen die Kraftwerke Jänschwalde, Boxberg, Schwarze Pumpe und (mit nur einem Block) Lippendorf. Das Lausitzer Revier verteilt sich auf die Bundesländer Brandenburg und Sachsen. Hier arbeiten ca. 7.500 Beschäftigte. Um das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands verkaufen zu können, zahlte Vattenfall 1,6 Milliarden Euro an EPH. Nur mit diesem Handgeld wurde das Revier für EPH attraktiv. Andere Energiekonzerne waren trotz dieser Summe nicht bereit, ein Angebot einzureichen. Mit Braunkohlestrom ist kein Geschäft mehr zu machen. Auch deshalb, weil die Tagebaue nach der Schließung jahrzehntelang rekultiviert werden müssen. Die Betreiber sind verpflichtet, dafür Rückstellungen bilden. Trotzdem kaufte EPH das Lausitzer Revier. Warum? Nur fünf Jahre ist EPH an die Bedingungen des Kaufvertrags gebunden. In den ersten drei Jahren dürfen keine Dividenden ausgezahlt und Rückstellungen aufgelöst werden, in den folgenden zwei Jahren sind nur betriebsübliche Renditen gestattet. Was danach geschieht, liegt im Ermessen von EPH. Es gibt weder Folgeverträge noch Kontrollinstanzen der Landesregierungen Brandenburg und Sachsen, um ein finanzielles Ausbluten des Lausitzer Reviers zu verhindern. Wenn EPH fünf Jahre wartet, ist der Weg frei, um die Konten abzuräumen, die Vattenfall gefüllt hat. Wie das funktioniert, musste die Mibrag erleben. "Aufkaufen, auspressen" Nach dem Verkauf an EPH schmolzen plötzlich die Rückstellungen der Mibrag. Greenpeace Deutschland ermittelte in öffentlich einsehbaren Geschäftsberichten, dass sich die Rückstellungen von 226,7 Millionen Euro (2009) auf 129,4 Millionen Euro (2014) reduzierten. Von 2009 bis 2014 musste die Mibrag insgesamt 448 Millionen Euro Gewinn an die Besitzer abführen. Nach Aussage von Greenpeace hat EPH damit den Kaufpreis von 404 Millionen Euro amortisiert. Das sind keine guten Aussichten für die Zeit nach der Auskohlung der Tagebaue. Die Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen könnten darauf dringen, dass EPH die Rückstellungen für die Rekultivierung in sicheren Fonds anlegt. Damit wäre das Geld dem Zugriff von EPH entzogen. Doch diese Möglichkeit lehnen beide Landesregierungen ab. Sie vertrauen den Investoren. Das ist erstaunlich. EPH ist ein Konstrukt von Investmentbankern. Es wurde 2009 gegründet und hält Beteiligungen an einem kaum durchschaubaren Firmengeflecht in Zypern, Luxemburg und Tschechien. Der EPH-Finanzpartner PPF betreibt eine Website, die nicht viel mehr aussagt, als dass die Firma PPF heißt und in der Steueroase Jersey residiert. Greenpeace Deutschland hat die Merkwürdigkeiten rund um das Firmengestrüpp von EPH und PPS und den Vattenfall-Verkauf im Schwarzbuch EPH detailliert aufgedröselt. Die Umweltschützer resümieren: "Ihr Geschäftsmodell ist es, Firmen aufzukaufen und finanziell auszupressen."Nichtstun in Gold verwandeln Es ist nicht unwahrscheinlich, dass EPH und PPF auch auf den Ausstieg Deutschlands aus der Braunkohle spekulieren. Ob 2030 oder 2035, der Tag der Schließung des letzten Braunkohletagebaus und der Abschaltung des letzten Braunkohlekraftwerks ist absehbar. Laut Vertrag darf EPH die Tagebaue und Kraftwerke unbefristet betreiben. Das ist dem Unternehmen bewusst. Im Geschäftsbericht 2014 liest man deshalb sehr langfristige Ziele:

"Rekultivierungen für das Bergwerk Profen von Mibrag sollen laut Plan im Jahre 2030 beginnen und für das Bergwerk Vereinigtes Schleenhain von Mibrag im Jahre 2040. Wir gehen davon aus, den Rekultivierungsplan für das Bergwerk Profen mit Bargeld aus unserem laufenden Betrieb zu finanzieren. Wir erwarten, nach 2030 mit der Akkumulation von erheblichen Barreserven zu beginnen, um den Rekultivierungsplan für das Bergwerk Vereinigtes Schleenhain zu finanzieren."


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Autor
Name: Jürgen Winkler