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Betriebsführung: Keine Rückstellungen für künftige Zusatzbeiträge eines Handwerksbetriebs

Bundesfinanzhof untersagt Bildung von Rücklagen

27.06.2017

In einer aktuellen Entscheidung verbietet der Bundesfinanzhof, dass Handwerksbetriebe Rückstellungen für Zusatzbeiträge bilden. Das gilt auch dann, wenn die Beiträge nach dem Gewerbeertrag bereits abgelaufener Wirtschaftsjahre berechnet worden sind.

Besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass Zusatzbeiträge auch künftig in der  geltend gemachten Höhe entstehen, darf der Handwerksbetrieb dennoch keine zweckgebundenen Rückstellungen für die fällige Zahlung bilden. Handwerksbetrieb vs. Finanzamt Im konkreten Streitfall war der Kläger Mitglied der Handwerkskammer. Diese stellt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts dar, die nach ihrer Beitragsordnung einen Grund- und Zusatzbeitrag erhebt. Bemessungsgrundlage des Zusatzbeitrages war in der Vergangenheit der Gewerbeertrag des drei Jahre vor dem Beitragsjahr liegenden Steuerjahres. Der Kläger erfasste in seiner Bilanz zum 31. Dezember 2009 die zu erwartenden Zusatzbeiträge für die Jahre 2010, 2011 und 2012. Dafür legte er die Gewebeerträge der Jahre 2007, 2008 und 2009 zugrunde. Er verbuchte die zu erwartenden Zusatzbeiträge auf der Passivseite seiner Bilanz unter „Sonstige Rückstellungen“. Das Finanzamt erkannte die Rückstellungen nach einer Betriebsprüfung nicht an und begründete dies damit, dass die Zusatzbeiträge erst im jeweiligen Beitragsjahr wirtschaftlich verursacht würden. Entscheidung des Bundesfinanzhofs Der Streit zwischen Kläger und Finanzamt landete vor Gericht. Das Finanzgericht hatte den Kläger in einem ersten Urteil bestätigt. Anders entschied nun der BFH und gab dem Finanzamt in der Revision Recht. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit voraus. Oder sie müssen die hinreichende oder überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraussetzen. Das heißt, der Steuerpflichtige muss ernsthaft mit der Inanspruchnahme der Rückstellung bzw. Verbindlichkeit rechnen. Besteht diese Verbindlichkeit rechtlich noch nicht, ist ein wirtschaftlicher Bezug zum Zeitraum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich. Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren würden schließlich nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut. Keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten Im konkreten Fall handelt es sich laut BFH um eine Verbindlichkeit, die eng mit dem betrieblichen Geschehen des Wirtschaftsjahres verknüpft sei. Sie muss daher als Aufwendung des jeweiligen Wirtschaftsjahres behandelt werden. Sie müsse nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten. Eine Verbindlichkeit sei nur dann vergangenheitsorientiert, wenn die Pflicht unabhängig davon zu erfüllen sei, ob der Unternehmer seine Tätigkeit fortführe. Die Verpflichtung zur Entrichtung des Zusatzbeitrages ist an die weitere Mitgliedschaft in der Handwerkskammer geknüpft und außerdem von einem jährlich neu zu fassenden Beschluss der Vollversammlung der Handwerkskammer abhängig. Der Kläger dürfe keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Zum Bilanzstichtag 2009 seien die Beitragspflichten des Klägers für die Jahre 2010, 2011 und 2012 rechtlich noch nicht entstanden. Sie seien weder durch Verwaltungsakt festgesetzt worden, noch seien die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands erfüllt. Scheidet der Kläger aus der Handwerkskammer aus, ist weder Grund- noch Zusatzbeitrag zu entrichten. Vor diesem Hintergrund ist die Heranziehung des Gewerbeertrags eines früheren Jahres als Bezugsgröße für die Berechnung der Beitragshöhe lediglich eine Berechnungsmodalität, um die Anknüpfung an noch nicht ermittelte Gewinne zu vermeiden. Rückstellungen für Verpflichtungen aus öffentlichem Recht können nur dann gebildet werden, wenn die Verpflichtung bereits konkretisiert wurde. Das heißt, sie muss inhaltlich hinreichend bestimmt werden, die zeitliche Nähe zum Bilanzstichtag erfüllen sowie sanktionsbewehrt sein (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Urteil v. 9.11.2016, I R 43/15, BStBl II 2017, 379; Haufe Index 10452117). BFH, Urteil vom 5. April 2017, Az. X R 30/15, veröffentlicht am 21. Juni 2017


Autor
Name: Antje Schubert