Steuerungstechnik
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Elektrotechnik
Sicherheitsgerichtete Datenübertragung per Funk
ep11/2005, 2 Seiten
Profisafe-Profil Dass die sicherheitsrelevante Datenübertragung mit dem Profibus überhaupt funktioniert, dafür sorgt seit geraumer Zeit das von der Profibus Nutzer Organisation (PNO) festgelegte Profisafe-Profil. Das Sicherheits-Übertragungsverfahren ist industriell eingeführt und erfreut sich hoher Akzeptanz. Es ist für den Profibus DP nach IEC 61508 zertifiziert und erfüllt die Sicherheitskategorien Kat. 4 (EN 954-1), AK6 (DIN V 19250) und SIL 3 (IEC 61508). Mit Profisafe können Nutzdaten und sicherheitsrelevante Daten auf ein und demselben Bus übermittelt werden. Die Sicherheitsmaßnahmen sind softwareseitig realisiert. Dazu wurde in den Geräten eine zusätzliche Sicherheitsschicht oberhalb der unveränderten Profibus-Schichten implementiert. Eventuell auftretenden Fehlern wie Adressverfälschung, Verlust, Verzögerung, Manipulation, Einfügen oder dergleichen wirken bei Profisafe vier Maßnahmen entgegen: · fortlaufende Durchnummerierung der Datentelegramme · Zeitüberwachung · Authentizitätsüberwachung mittels Passwörtern · optimierte CRC-Sicherung (Cycle Redundancy Check). Hierbei handelt es sich um ein zyklisches Redundanzprüfverfahren, mit dem Fehler bei der Übertragung oder die Duplizierung von Daten erkannt werden können. Sichere Funkübertragung Die Fa. Schildknecht hat mit der Datenübertragung per Funk mittlerweile über zehn Jahre Erfahrung und weiß daher, dass es genau die beschriebenen Fehler sind, die auch bei Funkübertragungen auftreten können. Somit bietet sich Profisafe als ideale Basis für die Übertragung über eine Funkstrecke an. Tritt ein nicht behebbarer Fehler über die Funkstrecke auf, wissen alle Komponenten, wie sie sich in diesem Fall zu verhalten haben und gehen in den sicheren Zustand über. Gerade der Wiederanlauf, zum Beispiel nach einer Funkunterbrechung, ist mit Profisafe exakt geregelt. Bei einer Funkunterbrechung, die über einem bestimmten Schwellenwert liegt, wird Notaus ausgelöst. Damit verhält sich die Funkunterbrechung also exakt wie die Kabelunterbrechung des Profibusstrangs. Doch bevor man Profisafe mit Funknetzen umsetzen konnte, galt es einiger Schwierigkeiten Herr zu werden. Da bei der Entwicklung des genormten Profibus nur an Kabel als Übertragungsmedium und nicht an Funk gedacht wurde, ist die Verbindung von Funk und Profibus keinesfalls ideal. Deshalb wurden Hardwarekomponenten und ein Software-Stack entwickelt, mit deren Hilfe Profisafe-Daten völlig transparent über Funk übertragen werden können. Die auf dem Markt erhältlichen Profibus-Slave- und -Masterbausteine, wie zum Beispiel SPC 3, können für die transparente Übertragung nämlich nicht verwendet werden. Das größte Problem besteht jedoch darin, dass hohe Busgeschwindigkeiten hohe Verarbeitungsleistungen erfordern. Bei 1,5 Mbit/s muss alle 7 s ein Profibusbyte verarbeitet werden. Gleichzeitig ist das „schlupffreie“ Senden der Profibusdaten zu gewährleisten, sprich innerhalb eines Telegramms dürfen keine Pausen auftreten. Ein spezieller Mikrocontroller mit DMA-Modus für die serielle Schnittstelle löst dieses Problem (Bild ). Er kann bis zu 1,5 Mbit/s Übertragungsrate des Profibus verarbeiten. Die hohe Datenrate ist notwendig, um die Standard-Profibus-DP-Busspezifikation übernehmen zu können. Auf unnötige Änderungen in der TSLOT-Zeit, die für langsamere Teilnehmer am Profibus-Master einstellbare Wartezeit, kann man dann verzichten. Auswahl der richtigen Funktechnologie Profibus per Funk wird sehr vielseitig eingesetzt. Verschiedene Umgebungsbedingungen stellen unterschiedliche Ansprüche an die jeweilige Funkverbindung. Die Auswahl der geeigneten Funktechnologie für die jeweilige Applikation ist daher von großer Bedeutung. Grundsätzlich können mehrere zulassungsfreie Breitband-Funktechnologien eingesetzt werden. In Frage kommen zum Beispiel die 2,4-GHz-Sequenz-Spread-Spektrum-Technologie nach IEEE 802.11 (auch als WLAN bezeichnet), proprietäre 2,4-GHz-Systeme mit Frequenzhopping oder Direct Sequenz Spread Spectrum, 2,4-GHz-Bluetooth oder 1,9-GHz-DECT mit 250 mW bzw. 869 MHz und 500 mW. Mit Hilfe eines speziellen Verfahrens können auch langsame Funkstrecken für die Datenübertragung verwendet werden. Der Profibus-Master wird einfach so lange mit Busy-Antworten „vertröstet“, bis der Teilnehmer über Funk geantwortet hat. Das ist ein übliches Vorgehen, um auch Profibus-Slaves mit geringer Rechenleistung verwenden zu können. Die Auswahl der geeigneten Funktechnologie ist nicht trivial. In manchen Applikationen wird beispielsweise eine hohe Datenrate benötigt, in andern - wegen größerer Entfernungen - Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 11 898 FÜR DIE PRAXIS Automatisierungstechnik Sicherheitsgerichtete Datenübertragung per Funk Th. Schildknecht, Sersheim; N. Homburg, Stutensee Datenübertragung per Funk ist in der Automatisierungstechnik längst kein neues Thema und auch Profisafe findet mittlerweile zahlreiche Anwendungen. Mit Profisafe können Nutzdaten und sicherheitsrelevante Daten über ein und denselben Bus übertragen werden - zusätzliche Kabel für das Sicherheitssystem werden nicht benötigt. Sowohl die Datenübertragung per Funk als auch Profisafe helfen also, Wartungsaufwand und Kosten zu sparen. So ist es nur folgerichtig, beide Technologien zu kombinieren. Autoren Dipl.-Ing. Thomas Schildknecht ist Geschäftsführer und Inhaber der Fa. Schildknecht, Sersheim. Dipl.-Ing. (FH) Nora Homburg ist Mitarbeiterin des Redaktionsbüros Stutensee. Profisafe über Funk: Dataeagle 3002 enthält einen speziellen Mikrocontroller mit DMA-Modus für die serielle Schnittstelle eine hohe Sendeleistung. Manchmal muss man auch einen gangbaren Mittelweg finden, wenn zum Beispiel die Frequenz von 2,4 GHz für andere Anwendungen bereits belegt ist. Anwendungen von Profisafe über Funk Natürlich gibt es auch Unterschiede zwischen einer Funk- und einer Kabelverbindung, die sich nicht beseitigen lassen: Anwender von Funknetzen müssen einen Signalverzug über die Funkstrecke in Kauf nehmen, der gegenüber einer Kabelverbindung rund 30 ms beträgt. Aus diesem Grund sind Funknetze nicht für alle Anwendungen geeignet. Dass die Funknetze aber in vielen Bereichen den Schleifring-, Lichtschranken- oder Schleppkabelverbindungen überlegen sind, zeigt eine lange Liste von Anwendungen. Ein Beispiel ist die in Bild dargestellte Steuerung eines fahrerlosen Transportsystems. Auch bei Airbus in Hamburg wird Profisafe über Funk bereits erfolgreich eingesetzt. Ein zweiteiliges Transportsystem zur Rumpfmontage führt die noch getrennten Segmente des Rumpfes und des Cockpits zusammen. Die Übertragungsstrecke beträgt 70 m. Zwischen den Siemens-S7-F-Steuerungen der beiden Fahrzeuge werden über 200 Byte Nutzdaten sowie die Notaussignale für beide Fahrzeugteile übertragen. Die Gesamtanlage wurde vom TÜV abgenommen. Bei der Olympiasprungschanze im französischen Courchevell ist die Kabine, die die Skispringer zum Start transportiert, per Funk datentechnisch an die Bodenstation angebunden (Bild a). Neben einem Not-Stopp-Signal überträgt das System auch noch die Parameter der Gondel zwischen dem E/A-Modul ET 200 und einer Siemens-S7-315F-Steuerung. Daten werden über die Funkstrecke zyklisch alle 20 bis 60 ms ausgetauscht. Bei Ausfall der Funkstrecke geht die Anlage nach 500 ms in den sicheren Zustand über. Diese SIL-Monitor-Zeit legt der Anlagenbetreiber bei der Konfiguration der Anlage selbst fest. In Courchevelle haben sich 500 ms in Langzeittests als sinnvoller Wert erwiesen. Dass man per Funk auch längere Stecken überbrücken kann, zeigt eine weitere Anwendung in Frankreich. In Megève wurde eine Seilbahn mit Dataeagle 3002 ausgestattet (Bild b). An der Talstation kommuniziert eine S7-315-Steuerung mit einem E/A-Modul ET 200 mit Profisafe in der Gondel. Die Übertragungsstrecke beträgt 1950 m und überwindet 600 Höhenmeter. Auf der gesamten Strecke zwischen Tal- und Bergstation besteht Sichtverbindung, die durch drei Seilbahnmasten an bestimmten Positionen unterbrochen werden kann. In dieser Anwendung wurde die Ausfallzeit auf 550 ms gesetzt, nach der die Funkstrecke in den sicheren Zustand geführt wird. Bei Daimler Chrysler plant man, mehrere Funkstrecken als Ersatz für Schleifleitungen und Lichtschranken anzuschaffen. In einer Vergleichsmessung, durchgeführt durch ein unabhängiges Ingenieurbüro, setzte sich die Funklösung klar durch. Die Messstrecke ist 20 m lang, es besteht Sichtkontakt durch zwei Glasscheiben. Eine konkurrierende Lösung, die nur mit einer Bluetooth-Funktechnik lieferbar ist, erwies sich als sehr langsam. Trotz der geringen Reichweite traten hier hohe Streuungen der Dataexchangetime auf, und die Wartezeit zwischen zwei Datentelegrammen betrug bis zu 12000 Bitzyklen. Dies liegt daran, dass die TSLOT-Zeit auf unpraktikable Werte geändert werden muss. Mit diesen Einstellungen befindet sich diese Lösung außerhalb der Profibus-Spezifikation und kann deshalb auch nur sehr eingeschränkt eingesetzt werden. Dataeagle 3002 wurde unter gleichen Bedingungen zusätzlich mit Profisafe gefahren. Es traten weder Busfehler noch Profisafe-Monitorzeit-Überschreitung auf. Durchschnittlich war der messbare Datenaustausch rund 50-mal schneller. Wie viel Geld sich mit Profisafe über Funk sparen lässt, hat man in Wismar bei der Fa. Egger festgestellt, einem der weltweit führenden Laminathersteller. Bislang verwendete man dort Schleppkabel für Energie und Daten (Bild c). Die Schleppkabel, die regelmäßig erneuert werden müssen, sind wegen ihrer Kombination als Energie- und Datenkabel sehr teuer. In einer dreiwöchigen Testphase wurde eine Funklösung mit Dataeagle 3002 getestet. Die fast 30 m lange Fahrstrecke hat keine direkte Sichtverbindung zur Steuerung. Der Bus arbeitet mit 500 kbit/s. Während der gesamten Testphase traten keine Busfehler auf. Diese Anwendungsbeispiele zeigen deutlich, welch vielfältige Einsatzmöglichkeiten es für Profisafe über Funk bereits gibt. Und doch geben sie nur ein kleines Spektrum dessen wieder, was mit dieser Technologie möglich ist. Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 11 899 Automatisierungstechnik FÜR DIE PRAXIS Typische Anwendung für eine Profisafe-Übertragung: Fahrerlose Transportsysteme mit einer Funkanbindung an die zentrale SPS Der lokale Profibus steuert die Antriebe des Fahrzeugs. Der Funkbus läuft über Profisafe zur Not-Aus-Übertragung. Die Datenfunkstrecke beeinflusst die Einhaltung der Sicherheitskategorien nicht. Selbst eine schlechte Funkstrecke erfüllt somit SIL 3. Bei schlechter Funkverbindung außerhalb der Reichweite oder durch sonstige Störungen spricht die Profisafe-Überwachung an wie bei einer Kabelunterbrechung. Profisafe ist für ein gestörtes Medium wie Funk vorbereitet und kann Bitfehlerraten von bis 10-2/h mit TÜV- und BGA-Zulassung verkraften. Anwendungen von Profisafe über Funk a) Olympiasprungschanze in Courchevell b) Seilbahn in Megève c) Schleppkabelersatz beim Laminathersteller Egger
Autoren
- Th. Schildknecht
- N. Hornburg
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