Brand durch fehlerhafte elektrische Kontakte
Dieser hatte an einem Freitagnachmittag wegen erforderlicher Ersatzteile zur Havariebeseitigung den Firmensitz auf dem kleinen Betriebsgelände aufgesucht. Dort hat der SHK-Handwerksbetrieb seit dem Jahr 1992 einen Gebäudeteil mit Werkstatt- und Lagerräumen im Erdgeschoss und Büro-, Sanitär- und Umkleideräumen im Obergeschoss angemietet.
Kurzbeschreibung zum Brandschaden
Innerhalb des Mietobjektes des SHK-Betriebes kam es im elektrischen Betriebsraum zu einem Brand (Bild 1), der sich wegen fehlender Brandschottung der Kabelanlagen sehr schnell auf angrenzende Räume ausbreitete. Obwohl sich der Betriebsraum innerhalb der gemieteten Flächen befindet, war dem Mieter der Zutritt nicht möglich.
Für die Brandursachenermittlung, also der Feststellung von technischen oder natürlichen Brandursachen, war von Bedeutung, dass auf dem unmittelbarer angrenzenden Grundstück wochenlang Bauarbeiten mit schweren Erderschütterungen ausgeführt worden sind.
Stromversorgung der Liegenschaft
Die Versorgung mit elektrischer Energie für die Liegenschaft erfolgt aus dem Niederspannungsnetz eines Netzbetreibers; die Anlagen der Hauptstromversorgung sind älter als 40 Jahre. Sie bestehen aus einem Kabelnetz, das ab der Niederspannungs(NS)-Hauptverteilung mehrere Gebäudeverteiler GV in den einzelnen Gebäuden einspeist (Bild 1). Bis kurz nach der deutschen Wiedervereinigung befanden sich in diesen, heute überwiegend als Lagerflächen genutzten Hallen, produzierende Unternehmen mit hohen elektrischen Anschlusswerten.
Seitdem blieben die elektrischen Anlagen weitestgehend ungenutzt.
Bauart und Bauform der Gebäudeverteiler
Bei der Bauart der Gebäudeverteiler handelt es sich um geprüfte Stahlblech-gekapselte Schaltanlagen vom Typ SNV, Baujahr 1974, die die elektrischen Sicherheitsanforderungen aus den zutreffenden DDR-Normen TGL 200-0645/02 [1] und TGL 200-0645/03 [2] erfüllten. Diese Normen entsprachen zum Zeitpunkt der Anlagenerrichtung der in der Bundesrepublik Deutschland gültigen DIN 57660 [3]. Die äußere Bauform dieser Schaltgerätekombination wird in der aktuell gültigen DIN EN 61439-1 lfd. Nr. 3.3.8 [4] als Mehrfachkastenbauform bezeichnet.
Die nicht brandgeschädigten Gebäudeverteiler in der Liegenschaft befinden sich in einem sehr schlechten Zustand.
Am begutachteten Verteiler sind ohne ergänzende Maßnahmen zum Schutz gegen elektrischen Schlag unzulässige Ergänzungen und Erweiterungen in der Installationsanlage vorgenommen worden (Bild 2).
Inhaltliche Anforderungen der Normen
Die inhaltlichen Anforderungen aus der zutreffenden TGL und der VDE-Norm sind in den infrage kommenden Normenabschnitten weitestgehend gleich. Das Anpassen der elektrischen Anlage einschließlich der Schaltgerätekombinationen an den Stand der aktuell gültigen Normen ist zu keinem Zeitpunkt gefordert worden. Für das sogenannte Beitrittsgebiet haben aber die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung u. a. auch für Verteilungen aller Art Anpassungsanforderungen zur Erreichung der hierfür geltenden sicherheitstechnischen Regeln aufgestellt. In der DGUV-Vorschrift 3 wird der Unternehmer aufgefordert, einen festgestellten Mangel an einer elektrischen Anlage oder einem Betriebsmittel unverzüglich beheben zu lassen. Zusätzlich sind
als Anhang 1 zur DGUV V 3 Anpassungsanforderungen für elektrische Betriebsmittel aufgenommen und
im Jahr 1995 in der BGI 755 [5] durch die damalige Berufsgenossenschaft Feinmechanik und Elektrotechnik (BGEFE) verbindliche Ertüchtigungsmaßnahmen für den sicheren Betrieb von NS-Schaltanlagen ISA 2000 bestimmt, die bis zum 31.12.1999 realisiert werden mussten.
Diese Maßnahmen sollten sinngemäß für andere Schaltgerätekombinationen umgesetzt werden. Hierzu gehört auch der unzureichende Berührungsschutz an SNV-Verteilungen, der allerdings durch Ertüchtigungsmaßnahmen gemäß geltender DIN VDE-Normen nicht oder nur schwer gewährleistet werden konnte.
Das bedeutet im Klartext, dass die SNV-Verteilungen seit dem 01.01.2000 zwar noch betrieben werden dürfen, das Bedienen – wie Schalthandlungen, Sicherungswechsel, Kontrollarbeiten – aber nur im spannungsfreien Zustand und nur von Elektrofachkräften erfolgen darf.
Ergänzungen und/oder Erweiterungen an Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen nach den TGL-Vorschriften sind jedoch heute nicht mehr zulässig.
Situation im Mietobjekt
Die einzelnen Nutzungsbereiche in den gemieteten Bereichen waren ursprünglich mit Stromkreisverteilungen (Unterverteilungen) StV für die Endstromkreise der Beleuchtung, Steckdosen und Festanschlüsse ausgestattet. Fälschlicherweise wurden sowohl die Gebäudeverteilungen als auch die Stromkreisverteilungen als Unterverteiler (UV) bezeichnet. Eine weitergehende Kennzeichnung (Beschilderung) fehlt bis jetzt ebenso wie Unterlagen für das sichere Betreiben. Das führte bei der Brandlöschung zu erheblichen Irritationen und Verzögerungen.
Stromversorgung für den Anschlussnutzer (Mieter)
Mit Begründung des Mietverhältnisses 1992 sind zur Versorgung des Mieters mit elektrischer Energie am Bereichsverteiler GV 4 die im Bild 2 blau dargestellten Umbauten am Bereichsverteiler GV 4 vorgenommen worden. Unzulässigerweise wurden unterhalb der SNV-Verteilung zwei Stromkreisverteiler für das Erdgeschoss (EG) und das Obergeschoss (OG) nachgerüstet und an die SNV-Verteilung angeschlossen.
Der Aufstellungsort des Bereichsverteilers GV 4 ist ein elektrischer Betriebsraum im Sinne der EltBauRL (Richtlinie über den Bau von Betriebsräumen und elektrischen Anlagen). Sämtliche Umbau- und Ergänzungsarbeiten sind vom Vermieter veranlasst oder ausgeführt worden, Dokumentationen über die sach- und fachgerechte Ausführung wurden dem Mieter als Anschlussnutzer nicht übergeben.
Sowohl der Bereichsverteiler GV 4 als auch die Stromkreisverteilungen einschließlich der ankommenden und abgehenden Leitungen wurden bei dem Brand zerstört.
Schadenanalyse des Sachverständigen
Im Rahmen der Schadenanalyse beauftragte der Versicherer des Vermieters ein Sachverständigenbüro für Brandursachenanalysen mit der Erstellung eines Gutachtens.
Der Bereich der Brandentstehung ist im Gutachten eindeutig beschrieben, auch die Schadenursache ist schlüssig dargestellt. In dem 52-seitigen Gutachten wurde festgestellt, dass am ermittelten Brandentstehungsort weder Hinweise auf das Vorhandensein von selbst entzündeten Substanzen noch von vorsätzlicher Inbrandsetzung und/oder von entsprechenden Witterungsbedingungen (Blitzeinschlag) ermittelt werden konnten.
Ort der Brandentstehung. Nach dem Gutachten der Brandursachenermittler befand sich der Brandherd zweifelsfrei innerhalb der SNV-Verteilung GV 4.
Ursachen für derartige Brände können im Wesentlichen sein
Kontaktverbindungen, die einen zu hohen Übergangswiderstand zwischen spannungsführenden Leitern und Teilen mit Erdpotential besitzen, sowie
Kontakterwärmungen durch Schraub- und Steckvorrichtungen, die nicht oder nicht mehr den notwendigen Kontaktdruck gewährleisten.
Insgesamt ergaben die ermittelten Schadenmerkmale, dass der Verteilungs-Hauptschalter FLTA 250 Aals genauer Brandentstehungsort anzusehen ist. Dies begründet sich aus thermischen Verfärbungen nach einer altersbedingten Materialermüdung, die durch das „Nachgeben“ von Leitermaterial an Verbindungs- und Kontaktstellen zu hohen Übergangswiderständen an den stromdurchflossenen Teilen entsteht (Bilder 3, 4a, b). Die erhöhte Temperatur des Hauptschaltergehäuses konnte auf der Rückwand jenes SNV-Kastens ermittelt werden, in dem der Hauptschalter eingebaut gewesen war. Weitere äußere Einflüsse sind als Brandursache ausgeschlossen worden.
Erschütterungen in der Nähe. Die Brandentstehung wurde durch Bauarbeiten auf dem angrenzenden Grundstück jedoch zeitlich begünstigt. Hier kam es beim Abriss massiver Betonbauten zu heftigen Erschütterungen des Erdbodens, was das Lösen von bereits zuvor nicht mehr ausreichend befestigten Teilen wie Hauptschalter und Sammelschienenverbindungen beschleunigte.
Rechtliche Wirrungen
Der Brandherd wurde im Gutachten richtig ermittelt. Jedoch was die rechtliche Verantwortlichkeit für den Schaden anbetrifft, so unterlag der Gutachter einer falschen Prämisse. Hinsichtlich der Betriebs- und Funktionssicherheit der Verteilungen stützten sie sich auf Aussagen des Vermieters, der für das Instandhalten der elektrischen Anlagen einschließlich der Bereichsverteiler den jeweiligen Mieter verantwortlich gemacht hatte.
Im Gutachten kamen die Sachverständigen daher zu dem Ergebnis, dass danach der Mieter – der SHK-Betrieb – für die entstandenen Schäden verantwortlich ist, da er die in Rechtsvorschriften geforderten regelmäßig wiederkehrenden Prüfungen nicht ausgeführt hatte. Aufgrund dieser Aussage wollten sich dessen betriebliche Versicherungen nur teilweise an den entstandenen Schäden beteiligen wollten.
Fehler im Gutachten des Sachverständigen
1. Rechtsträgergrenze
Das Gutachten der Sachverständigen führt mehrfach aus, dass nach Aussagen des Vermieters das Prüfen an den Elektro-Unterverteilungen zur Versorgung der einzelnen Mieteinheiten des Gebäudes in der Verantwortung der jeweiligen Nutzer liegt.
Hierzu wird klargestellt:
Richtig ist, dass nach den aufgezeigten Untersuchungsergebnissen Mängel im Bereichsverteiler GV 4 als Brandursache wahrscheinlich sind. Als Bestandteil der Hauptstromversorgungsanlagen befindet sich GV 4 in der Rechtsträgerschaft des Vermieters, der zugleich Anschlussnehmer und damit Vertragspartner im Netzanschlussvertrag mit dem Netzbetreiber ist.
Die Rechtsträgergrenze zwischen der elektrischen Anlage des Anschlussnutzers und der Hauptstrom-Versorgungsanlage des Anschlussnehmers, also des Vermieters, ist der Verrechnungszähler. Dies ergibt sich auch daraus, dass dem Anschlussnutzer (Mieter) jegliche Eingriffe einschließlich Schalthandlungen an Teilen des Hauptstromversorgungssystems (Bereichsverteiler) vom Vermieter schriftlich untersagt worden sind.
Verantwortlich für das Aufrechterhalten der Betriebs-, Funktions- und Versorgungssicherheit der Hauptstromversorgungsanlagen – also der Anlagen zwischen dem Hausanschluss und der Verrechnungsmesseinrichtung (Zähler) des Anschlussnutzers (Mieter) – trägt ausnahmslos der Anschlussnehmer, der Vermieter.
Die Ausführungen zur Brandursache sind fachlich sehr gut recherchiert, sie unterstreichen die gesetzlich geforderte wiederkehrende Prüfung, ändern aber nichts an der ausschließlichen Verantwortlichkeit des Vermieters für den Brand.
2. Pflicht zum Prüfen der einzelnen Anlagenteile
Im Gutachten wird ausgeführt:, dass umfangreiche Teile der Gebäudeanlagen sowie die Elektroanlagen der einzelnen Mietabschnitte innerhalb des Gebäudes … im Verantwortungsbereich der jeweiligen Mieter liegen.
Hierzu wird klargestellt:
Der Mieter ist verantwortlich für die Sicherheit der elektrischen Installationsanlagen einschließlich für deren regelmäßig wiederkehrenden Prüfungen innerhalb der gemieteten Räume und Flächen. Sie erstreckt sich im Bereich der NS-Schaltanlagen auf die üblichen Installationsgeräte, z. B. Steckdosen, Schalter, Installationsdosen und -Kästen, Kabel, Leitungen, Verlegesysteme, Verbindungs- und Montagematerial, Leuchten, Potentialausgleichs-Maßnahmen, ortsfest angeschlossene Geräte und Betriebsmittel sowie Leuchten.
Der Mieter ist ferner verantwortlich für die Betriebs- und Funktionssicherheit jener Stromkreisverteilung(en), in der sich die Überstrom- und Fehlerstromschutzgeräte für die Endstromkreise in den gemieteten Räumen und Flächen befinden. Ist in einer Stromkreisverteilung auch der Verrechnungszähler untergebracht (Zählerschrank), beginnt die Mieterpflicht für die Instandhaltung und die wiederkehrende Prüfung an den Abgangsklemmen der Hauptsicherungen nach dem Zähler.
Nicht zur Verantwortung des Mieters gehört die gesamte elektrische Anlage vor dem Verrechnungszähler. Dazu zählen alle Teile der Hauptstromversorgung (Hauptkabel, Zuleitungen zu den Stromkreisverteilungen, Anlagen des Schutzpotentialausgleichs, Hauptverteilungen aller Art, Gebäudeverteilungen, Bereichsverteiler).
Richtig ist, dass der Mieter den als UV 4 bezeichneten Gebäudeverteiler nicht hat prüfen lassen, da er hierzu nicht verpflichtet ist. Demgegenüber ist er der Verpflichtung zur regelmäßig wiederkehrenden Prüfung aller in seinem Verantwortungsbereich liegenden Installationsanlagen nachgekommen. Die Prüfungen wurden regelmäßig innerhalb der zulässigen Fristen vorgenommen und ordnungsgemäß dokumentiert.
Nicht zum Verantwortungsbereich des Mieters gehört der Zähler selbst. Bei der Analyse des Brandschutzgutachters ist jedoch festgestellt worden, dass neben den Mängeln an den Bereichsverteilern (SNV-Verteilungen) auch die Zählerplätze und Zähler nicht die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Danach sind Mess- und Steuereinrichtungen in Zählerschränken unterzubringen, an die hinsichtlich der Bauart und der Anordnung besondere Vorgaben gemacht werden. Die jetzigen Anforderungen nach Technischen Anschlussbedingungen (TAB) unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von den Anschlussbedingungen nach den Bestimmungen der ehemaligen DDR. Dies trifft auch zu für die Bauart der Zähler für Verrechnungszwecke und deren Anordnung (Montage).
Nach dem Mietvertrag hat der Vermieter direkt mit dem/den Mieter(n) den Elektroenergieverbrauch zuzüglich EEG-Umlage abgerechnet. Es wird davon ausgegangen, dass diese Abrechnungsart mit dem zuständigen Netzbetreiber abgestimmt ist. Hinsichtlich der Verbrauchsmessung erfüllen die verwendeten elektronischen Elektrizitätszähler nicht die hierfür geltenden Bestimmungen nach der Eichordnung [6]. Danach müssen (Zitat):
„Messgeräte zur Bestimmung der elektrischen Energie oder der elektrischen Leistung müssen geeicht sein, wenn sie im geschäftlichen Verkehr verwendet oder bereitgehalten werden. Davon betroffen sind nicht nur Elektrizitätszähler der Energiewirtschaft, sondern auch solche, über die als Zwischen-, Unter-, Campingzähler usw. Energie gegen Entgelt zwischen zwei Vertragsparteien (z. B. zwischen Mieter und Vermieter) abgerechnet wird.“ Die Eichung und deren Kennzeichnung erfolgt durch die Eichbehörden der Bundesländer und eine staatlich anerkannte Prüfstelle. Die Eichung gilt nicht unbegrenzt. Gemäß Eichordnung Teil 4 § 12 Anhang B sind derzeit folgende Gültigkeitszeiträume der Eichung festgelegt:
16 Jahre für direktmessende Einphasen- und Mehrphasen-Wechselstromzähler mit Induktionsnetzwerk
8 Jahre für Einphasen- und Mehrphasen-Wechselstromzähler mit elektronischem Messwerk.
Zwar ist durch die europäische Messgeräterichtlinie MID die innerstaatliche hinsichtlich der Zulassung und Eichung der Messgerätearten in Europa aufgehoben, für Abrechnungszwecke gilt jedoch nach wie vor das innerstaatliche Eichrecht. Die vom Vermieter verwendeten Elektrizitätszähler erfüllen nicht die Anforderungen hinsichtlich der Bauart und der Eichung. Hier kann der Mieter die Rückerstattung unberechtigter Kosten vom Vermieter verlangen.
3. Instandhaltungspflicht für Verteilungen
Im Gutachten wird einerseits ausführlich auf die fehlende Bauart-Übereinstimmung der SNV-Verteilungen wie der GV 4 mit den normativen Anforderungen aus den zutreffenden DIN VDE-Normen eingegangen, andererseits aber auf einen „Bestandsschutz“ der gesamten elektrischen Anlagen verwiesen.
Hierzu wird festgestellt, dass
a) nicht die Bauart der SNV-Verteilungen und die der verwendeten Einbaugeräte die Ursache des Brandes gewesen ist, sondern die unterbliebene Wartung. Regelmäßig wiederkehrende Prüfungen der SNV-Verteilung(en) durch Elektrofachkräfte, die für NS-Schaltanlagen ausgebildet sind, hätten zu der Erkenntnis geführt, dass diese Stahlblech-gekapselten Verteilungen nicht mehr sicher betrieben werden können.
b) Hierfür kann auch kein sogenannter Bestandsschutz geltend gemacht werden, denn es gilt der Grundsatz, dass insbesondere bei Sicherheitsmängeln an elektrotechnischen Anlagen eine Anpassungspflicht besteht. Eine solche Pflicht ist anzunehmen, wenn dies für die Sicherheit der Nutzer oder der Betreiber der Anlage von einer anerkannten Stelle (Behörde, Gesetzgeber) oder von Fachkreisen für notwendig erklärt wurde.
c) Für das sogenannte Beitrittsgebiet haben die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung u. a. auch für Verteilungen aller Art, die nach den TGL-Vorschriften gefertigt und genutzt worden sind, entsprechende Anpassungsanforderungen zur Erreichung der hierfür geltenden sicherheitstechnischen Regeln aufgestellt. Diese Maßnahmen sind vom Vermieter nicht ausgeführt oder veranlasst worden.
4. Bedeutung von wiederkehrenden Prüfungen
Die elektrischen Verbindungen innerhalb einer Schaltgerätekombination beeinflussen in großem Maße die Betriebssicherheit. Sie müssen deshalb nicht nur sehr sorgfältig hergestellt, sondern auch regelmäßig wiederkehrend geprüft werden.
Elektrische Verbindungen werden beispielsweise als Löt-, Schweiß-, Press-, Quetsch- und vor allem als Klemmverbindungen in schrauben- und schraubenloser Technik für einen oder mehrere Leiter ausgeführt. Sie sollen eine möglichst verlustarme Verteilung der elektrischen Energie gewährleisten.
Aufgrund der Vielzahl und der unterschiedlichen Ausführungen können elektrische Verbindungen in erheblichem Maße zur Brandgefahr werden, die grundsätzlich durch Lockerung oder Unterbrechung der verbundenen Leiter entstehen. Die Ursachen liegen in mechanischen, elektrischen und Umweltbeanspruchungen der Verbindungen:
mechanische Beanspruchungen sind Druck, Zug, Schwingungen, Dreh- und Rüttelbewegungen
elektrische Beanspruchungen sind vor allem häufige Stromlastwechsel zwischen Überlast und Schwachlast, aber auch im Kurzschlussfall
chemische Beanspruchungen aus der Umwelt liegen vor, wenn aggressivere Medien auf die Betriebsmittel, besonders auf die Anschlüsse und Verbindungen, einwirken.
Ausreichender und dauerhafter Kontaktdruck
Der Übergangswiderstand bei der Verbindung von zwei Leitern miteinander ist im Wesentlichen eine Funktion des Kontaktdruckes.
Für Sammelschienenverbindungen sind in den Normen der Reihe DIN 43673 Teil 1 und Teil 2 für die jeweiligen Schienenabmessungen Bohrbilder und Verschraubungen mit den dabei anzuwendenden Schraubensicherungen und Anzugs-Drehmomenten angegeben. Bei Anwendung dieser Werte wird davon ausgegangen, dass der erforderliche Kontaktdruck bei allen üblichen Belastungen der Stromschienen im gesamten Temperaturbereich vorhanden ist und ein Lockern der Verschraubung durch die Temperaturwechsel nicht eintritt. Besonders hohe Anforderungen werden an Klemmen gestellt, da sie zum Gefahrenherd werden, wenn sie keinen sicheren Stromübergang mehr gewährleisten.
Optimales Drehmoment
Die richtige Kontaktkraft spielt bei Klemmen eine elementare Rolle, sie wird durch die Betätigung der Klemmschraube erzeugt. Der Kontakt ist sicher, wenn eine gute Verbindung und ein sicherer Stromübergang an einer bestimmten Stelle mit vorgegebener Kraft gewährleistet ist. Dafür ist ein optimales Drehmoment beim Anziehen der Klemmverbindung erforderlich. Je nach Klemmenkonstruktion und -größe kann das Drehmoment unterschiedlich sein.
Folgen eines falschen Drehmoments:
bei einem zu hohen Drehmoment fehlt der Klemme die Federeigenschaft, es kommt zur Zerstörung der Federklemme
bei zu geringem Drehmoment reicht der Kontaktdruck nicht aus; es kommt zum Wackelkontakt und/oder damit zum Verschmoren des Kontaktes
fehlende Zug- und Druckentlastung oder zu kleine Anschlussräume führen in der Klemme zu mechanischen Spannungen.
Der Anschluss von unterschiedlichen Leiterarten und -querschnitten in einer Klemmstelle ist im Regelfall nicht zulässig. Die Hersteller geben daher dem Nutzer die geforderten Drehmomente ihrer Klemmen vor (ep-Tipp).
Für Neuanlagen und die wiederkehrende Prüfung ist wichtig: Nur das richtige Drehmoment gewährleistet zuverlässige Klemmverbindungen. Zuviel Power in den Armen ist ebenso schädlich wie zuwenig.
Vorgaben für Prüffristen
Allein durch das Einhalten der in einer Vielzahl von Rechtsvorschriften geforderten Prüffristen [7], [8] wären die Mängel frühzeitig festgestellt worden, die letztendlich zu diesem Brand geführt hatten: lose und schlecht angezogene Schraubverbindungen.
Die rechtlichen Erfordernisse waren im Wesentlichen inhaltsgleich in beiden deutschen Staaten formuliert – sowohl in den zutreffenden Unfallverhütungsvorschriften ABAO 900 als auch in den gesetzlichen Normvorgaben aus dem TGL-Vorschriftenwerk: TGL 200-0645/03 und TGL 200-0619 [9]. Darüber hinaus hatte auch der Hersteller der SNV-Verteilungen VEB Elektroschaltgeräte Grimma für jede hergestellte Schaltgerätekombination die geforderte(n) Bedienungs- und Wartungsvorschrift(en) geliefert. Hier war die Forderung aufgeführt, dass
„das Nachziehen aller Schraubverbindungen vor der Erstinbetriebnahme und nachfolgend – je nach elektrischer und/oder mechanischer Belastung oder Beanspruchung – in Abständen von 2 bis 4 Jahren regelmäßig wiederkehrend vorzunehmen ist.“
Auch findet sich in diesen Unterlagen der Hinweis, dass bei Änderungen der Nutzungsanforderungen „die fabrikfertige Baueinheit unverzüglich
auf weitere Verwendbarkeit zu prüfen ist
einer Prüfung in Anlehnung an TGL 200-0645/03 Abschnitt 4 zu unterziehen ist
sämtliche Schraubverbindungen auf festen Sitz und Wirksamkeit der Zahnscheibenverbindungen zu kontrollieren sind.
Über diese Tätigkeiten ist ein schriftlicher Nachweis zu führen und mindestens über zwei Revisionsperioden aufzubewahren. Vorzugsweise ist zusätzlich mindestens an einem Gehäuse der fabrikfertigen Baueinheit die regelmäßige Prüfung in geeigneter Form deutlich sichtbar kenntlich zu machen, zum Beispiel durch Plaketten oder Schilder.“
Erkenntnisse von Betreibern elektrischer Anlagen führten im Jahr 1982 dazu, dass bei Einsatz von Zahnscheibenverbindungen das Absenken der Kontrollfristen auf ein Jahr empfohlen worden war. Ursache hierfür war die sehr schnell nachlassende Federkraft bei intermittierendem Betrieb. Diese war auch an den Klemmen und Schienenverbindungen der brandverursachenden SNV-Verteilung GV 4 nicht mehr vorhanden.
Mit dem „Bestandsschutz“ vereinbar ist in Bestandsanlagen der Austausch dieser Schraubverbindungen mit Federring (Bild 4a) – soweit noch vorhanden – gegen Bolzenverbindungen mit Sicherheits-Federscheiben nach Bild 4b. Derartige Scheiben gewährleisten auch im intermittierenden Betrieb eine stets gleichbleibende Kontaktkraft.
Fazit
Zweifelsfrei entstand der Brand infolge sehr hoher Temperaturen an den Anschlusslaschen des Hauptschalters – jedoch nicht ursächlich durch eine überhöhte Strombelastung, sondern eindeutig durch Lockerungen von Verbindungen und Anschlüssen elektrischer Leiter innerhalb der SNV-Verteilung.
Da jegliche Unterlagen zu erfolgten Revisionen seit Begründung des Mietverhältnisses im Jahr 1992 beim Betreiber – Anschlussnehmer (Vermieter) – fehlen, ist davon auszugehen, dass die geforderten Wiederholungsprüfungen nicht ausgeführt worden sind.
Im Auftrag des SHK-Betriebs ist eine autorisierte Stellungnahme zum Gutachten erstellt und dessen Versicherungen übergeben worden. Damit hatte sich die Sachlage derart verändert, dass das Unternehmen sämtliche Schäden einschließlich Ausfallkosten für zeitweisen Betriebsstillstand, Umlagerungs- und Wiederherstellungskosten erstattet bekam.
Literatur
Herr Slischka, das Untersuchen von Brandschäden führt oft zu der Erkenntnis: Bei der Montage der elektrischen Anlage wurden die vom Hersteller angegebenen Drehmomente kaum beachtet und auch später die Kontakte nicht regelmäßig überprüft und nachgezogen. Was könnten die Gründe dafür sein?
H.-J. Slischka: Ich sehe hier insbesondere zwei wesentlicheGründe: a) Das Thema wird sowohl in den Errichternormen als auch in der begleitenden Buchreihe des VDE-Verlags kaum erwähnt. Ebenso muss man in der sonstigen Fachliteratur lange suchen, bis man etwas über die Notwendigkeit des geforderten Drehmomentes findet. b) Seit der Einführung der schraubenlosen Federzugklemme ist zudem dieses Thema in vielen Köpfen für Installationsanlagen überflüssig geworden, obwohl für die Einspeisung von Stromkreisver-
teilern nach wie vor überwiegend Schraubklemmen zum Einsatz kommen.
Aber die Elektroindustrie gibt doch entsprechende Drehmomentangaben vor?
H.-J. Slischka: Ja, die Hersteller stellen dem Elektrotechniker für ihre Produkte die erforderlichen Informationen in Form von Produktangaben und Montageanleitungen zur Verfügung. Auf der jeweiligen Verpackung ist im Regelfall auch die Angabe der zulässigen Anzugs-Drehmomente vermerkt. Auch über die Folgen von nicht ordnungsgemäß hergestellten Klemmverbindungen ist das Fachpersonal informiert.
Warum wird in den Elektrounternehmen dennoch nicht immer entsprechendes Werkzeug eingesetzt, insbesondere auch VDE-geprüftes Drehmomentwerkzeug?
H.-J. Slischka: Richtig ist, dass im Elektrotechnikerhandwerk das Thema vom Grundsatz her schon bekannt ist, die Umsetzung jedoch schwer fällt. Das Problem ist aus meiner Sicht auch nicht allein mit dem relativ hohen Anschaffungspreis und der damit verbundenen „Verlustgefahr“ auf der Baustelle zu begründen. Aus meiner mehr als 50-jährigen Praxis als Unternehmer und Lehrausbilder betrachtet, sehe ich hier als das größte Problem die fehlende oder unzureichende Information bei den Auszubildenden – den späteren Gesellen und Meistern. Von mir befragte Azubis hatten zum Ende des dritten Lehrjahres keine Kenntnisse zu diesem Thema. Überall wird fast ausnahmslos die Zukunft des Elektrotechnikerhandwerks nur noch in Bus-Installationen und anderen Technologien betrachtet, deren Namen unbedingt anglisiert werden müssen. Dabei wird zwangsläufig das Erfordernis einer soliden Grundausbildung übersehen. Sonst würde eine ganze Reihe von Errichtungsmängeln nicht auftreten
Je mehr man sich in das Thema vertieft, desto mehr versteht man dessen Brisanz und die vorhandenen Risiken. Was muss sich ändern, damit das Thema künftig besser in der „Elektropraxis“ ankommt?
H.-J. Slischka: Aufgrund der heutigen Schnelllebigkeit finden Handwerksmeister vielfach keine Zeit mehr zum bewussten Lesen von Fachliteratur. Daher sollten die Elektroinnungen ihre Funktion als „Weiterbildungsstätte“ sowohl für die Unternehmer als auch für das Fachpersonal und die Auszubildenden verstärkt anbieten. Ich bin überzeugt, dass die Elektroindustrie hierfür auch mit Rat und Tat zur Seite steht.
Vielen Dank für diese Hinweise.