Energietechnik/-Anwendungen
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Elektrotechnik
Effiziente Druckluftanlagen - Teil 2: Druckluftsysteme im produzierenden Gewerbe
ep6/2010, 3 Seiten
Zweckmäßiger Einsatz von Druckluft Gibt es in Unternehmen Anlagen für die Druckluftbereitung, sollten die dafür verantwortlichen Fachkräfte über das Fachwissen zum Medium und zu den erforderlichen Komponenten sowie zum Einfluss auf den elektrischen Energiebedarf verfügen. Wichtig ist zudem das Prüfen, ob der Einsatz von Druckluft zweckmäßig ist, oder andere Ansätze effizienter und geeigneter sind - so eignen sich beispielsweise zum Reinigen saugende Werkzeuge vielfach besser. Leckagen aufspüren und beseitigen Leckagen sind die häufigste Ursache für das Vergeuden von Energie. Immer wieder werden die Energieverluste insbesondere durch kleine Öffnungen unterschätzt. Bei Reihenuntersuchungen der Energieagentur Mittelfranken ergaben sich in einzelnen Unternehmen Anteile von bis zu 64 % der gesamten erzeugten Druckluftmenge, die ungenutzt entwichen. Nicht selten wird angenommen, dass sich von der Lautstärke des Ausströmgeräusches auf die Ausströmmenge schließen lässt und allein eine hohe Lautstärke mit einer hohen ausströmenden Luftmenge verbunden ist. Nein, auch sehr leise Leckagen können hohe Verluste verursachen. Eine zuverlässige Methode zum Messen der Leckageverluste ist das Aufzeichnen der Kompressorströme außerhalb der Nutzungszeit, beispielsweise am Wochenenden oder in der Nacht (Bild ). Wird neben der Stromaufnahme der Kompressoren auch der Netzdruck aufgezeichnet und über eine spezielle Software ausgewertet, kann damit auch die Liefermenge des Systems in einem bestimmten Zeitraum ermittelt werden. Der gemessene Leckageverlust lässt sich auf die gesamte Nutzungszeit des Druckluftnetzes hochrechnen. In einem Unternehmen mit einer Kompressorleistung von ca. 660 kW wurden vor und nach einer Aktion zur Leckagebehebung Messungen durchgeführt (Bild ), die zeigen, dass Einsparungen von rund 48 000 Euro möglich sind (6,1 m3/min × 60 min/h × 8760 h/a × 1,50 Cent/m3). Allerdings stellte sich bereits am darauf folgenden Tag erneut eine Leckage ein, die erst in einer späteren nächsten Aktion beseitigt werden konnte. Wie dieses Beispiel aber auch zeigt, sollte das Beheben von Undichtigkeiten kontinuierlich durchgeführt werden, da Mängel weiterhin auftreten können. Hilfreich sind Ultraschall-Suchgeräte, die Leckstellen unabhängig von den akustischen Verhältnissen in der Produktionsstätte aufspüren. Um Mängeln vorzubeugen, ist stets professionelles Installationsmaterial einzusetzen: Schlauch-Verbindungen z. B. aus dem Gartenbedarf haben in Industrie und Gewerbe nichts verloren. Professionelles Zubehör ist zwar oft teurer, es ist aber auch zuverlässiger, langlebiger und entspricht dem Arbeitsschutz. Druckniveau richtig wählen und einstellen Die vorherrschende Höhe des Luftdrucks in den Anlagen resultiert oft aus historischen Entwicklungen in den Unternehmen. Meist tritt einmalig ein Engpass auf, der dazu führt, dass der Vordruck erhöht wird. In der Regel entstehen Engpässe aber durch einen zufälligen, eher selten auftretenden Bedarf oder zu knapp bemessene Versorgungsleitungen oder Speicher. Selten wird eine einmal durchgeführte Druckerhöhung korrigiert, selbst dann nicht, wenn sich die Anzahl der Verbraucher verringert. Dabei ist es möglich, allein durch Senken des Betriebsdrucks um 1 bar, den Energiebedarf um 6-10 % zu reduzieren. Durch Messen des Fließdruckes, also des dynamischen Drucks an der am weitesten vom Kompressor entfernten Stelle, kann ermittelt werden, ob das Druckluftnetz ausreichend dimensioniert ist. Dafür wird der Druck beim Starten eines Verbrauchers gemessen und mit dem Druck am Kompressor verglichen. Der maximale Druckabfall sollte 0,5 bar nicht überschreiten. Versorgung an Bedarf auslegen und abstimmen Aus diesem Grunde werden Druckluftanlagen häufig überdimensioniert, um auf der scheinbar sicheren Seite zu sein, was allerdings einerseits die Energieeffizienz senkt, andererseits die Zuverlässigkeit nicht erhöht. Vielmehr erhöhen sich Verschleiß und Wartungsaufwand und sinkt die Versorgungssicherheit, Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 6 506 FÜR DIE PRAXIS Anlagentechnik Effiziente Druckluftanlagen Teil 2: Druckluftsysteme im produzierenden Gewerbe S. Kupp, J. M. Betz; Nürnberg In der EU gibt es eine Vielzahl von Druckluftanlagen. Sie sind im produzierenden Gewerbe von großer Bedeutung und aufgrund ihrer Anzahl und ihrer Leistungsstärke für einen hohen Energiebedarf verantwortlich. Druckluftsysteme gehören zu einer der Klassen von motorgetriebenen Systemen, deren Effizienzpotential sich strukturiert optimieren lässt. Autor M. Sc. (Univ.), Dipl.-Ing. (FH) Stefan Kupp ist Projektingenieur im Energie- und Umweltmanagement in der Implea Plus Gmb H und Mitarbeiter in der Energieagentur Mittelfranken e. V., Nürnberg. Dipl.-Ing.(FH) Jutta Maria Betz arbeitet in der Ingenieurgemeinschaft Energie, Nürnberg. 9 10 Uhr Strommessung zur Leckagebestimmung Bleibt die Erzeugerstation außerhalb der Nutzungszeit, z. B. am Wochenende, am Netz, offenbart der gemessene Stromverbrauch die Leckageverluste 8,0 m3/min 6,4 5,6 4,8 4,0 3,2 2,4 1,6 0,8 Verbrauch 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Uhr 24 Mo, 22.12.2008 Di, 23.12.2008 Zeit Aktion zur Leckage-Behebung Wartungen müssen regelmäßig durchgeführt werden, da Leckagen auch weiterhin auftreten können. Diese Anlage zeigte bereits am Tag nach der Aktion erneut ein Leck da eine geringe Auslastung der Komponenten zu ungünstigen Betriebszuständen führt. Aufgrund der Bauart und Physik der Antriebsmotoren arbeiten diese während des An- und Herunterfahrens in einem Leerlauf, der nicht zur Drucklufterzeugung genutzt wird. Der Energiebedarf im Leerlauf kann bis zu 50 % des Bedarfes unter Volllast betragen, aber auch mehr (Bild ). Die richtige Abstimmung der Kompressoren auf den Bedarf der Anwendung wie Maschinen oder Werkzeuge ist ebenfalls eine Quelle zur Steigerung der Energieproduktivität. Bis zu 20 % Energieersparnis sind möglich, wenn die Aggregate drehzahlgeregelt werden oder übergeordneten Steuerungen, je nach Last, die Kompressoren zu- und abschalten. Förderleistung steuern So genannte Verbundsteuerungen schaffen es, verschiedene Kompressoren in einem gemeinsamen, engen Druckband von 0,2 bis 0,4 bar ab- bzw. hinzuzuschalten (Bild ). Damit kann das Druckluftversorgungsnetz mit einem möglichst niedrigen Druckniveau nah am Bedarfsdruck der Produktion betrieben werden. Intelligente Verbundsteuerungen passen sich an veränderte Lastprofile an. Dabei ist es wichtig, jeweils den günstigsten Kompressor für Grund- und Spitzenlast auszuwählen und die Arbeitsleistung möglichst gleichmäßig auf die Kompressoren zu verteilen, um einen gleichmäßigen Verschleiß und gleichmäßige Wartungszyklen zu erreichen. Besonders sollten die Faktoren Druck, Stromaufnahme und Förderleistung der Kompressoren von der Steuerung berücksichtigt werden. Ein energieeffizienter Betrieb wird erreicht, wenn eine Leistungsaufnahme von 6,0-7,0 kW/(m3min) ausreichen, um ein Netz mit einem Druck von 7 bar zu betreiben. Energieeffiziente Motoren verwenden Die Bauweise von Motoren hat einen erheblichen Einfluss auf deren Effizienz, jedoch ist bei Motoren längst nicht selbstverständlich, was sich bei weißer Ware bereits durchgesetzt hat. Bislang werden in Europa immer noch 80 % der Elektromotoren der Effizienzklasse 2 gekauft. Eine einfache Wirtschaftlichkeitsbetrachtung kann aufzeigen, dass, je nach jährlicher Betriebsdauer, mit der Investition in Hocheffizienzmotoren Renditen von bis zu 35 % zu erreichen sind. Die neue Norm DIN EN 60034-30:2009 über die Wirkungsgrad-Klassifizierung von Drehstrommotoren mit Käfigläufern mit den vier Klassifizierungen IE1-IE4 löst die bisherige freiwillige Selbstverpflichtung mit den drei Klassen Eff1-Eff3 ab. Besonders in Anlagen mit langen Laufzeiten, wie sie in gut ausgelegten Kompressorstationen vorkommen, sollten nur noch „High Efficiency“-Motoren (IE2) oder höher eingesetzt werden (Tafel ). Druckluft effizient trocknen Auch beim Einsatz von Drucklufttrocknung kann Energie gespart werden. Mehrere kleine angekoppelte Trockner sind ineffizienter und weniger zuverlässig als wenige große Trockner. Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 6 507 6 8 10 12 14 16 6 8 10 12 14 16 a) b) t Messprotokolle verschiedener Betriebsweisen a) Der rote Bereich zeigt die Energieverluste im Leerlauf durch hohe Taktzahlen. Sie können bei einer ungünstigen Betriebsweise bis zu 50 % betragen und den Verschleiß stark erhöhen b) günstiges Betriebsverhalten durch geringe Taktzahl des Kompressors Tafel Wirkungsgradklassen von Drehstrommotoren mit Käfigläufern nach der freiwilligen Selbstverpflichtung (Europa (alt)) und nach der neuen Norm DIN EN 60034-30:2009 Bezeichnung der Effizienz Europa (alt) IEC (neu) Super Premium IE4 Premium IE3 Hoch EFF 1 IE2 Standard EFF 2 IE1 unter Standard EFF 3 TIPP Jetzt bestellen! Schutzanlagen fachgerecht errichten und betreiben Ich bestelle zur Lieferung gegen Rechnung zzgl. Versandspesen zu den mir bekannten Geschäftsbedingungen beim huss-shop, HUSS-MEDIEN Gmb H, 10400 Berlin Expl. Bestell-Nr. Autor/Titel /Stück 3-341-01520-9 Doemeland, Handbuch Schutztechnik 58,00 KUNDEN-NR. (siehe Adressaufkleber oder letzte Warenrechnung) Firma/Name, Vorname Branche/Position/z. Hd. Telefon/Fax E-Mail Straße, Nr./Postfach Land/PLZ/Ort Datum/Unterschrift 1006 ep HUSS-MEDIEN Gmb H 10400 Berlin Direkt-Bestell-Service: Tel. 030 42151-325 · Fax 030 42151-468 E-Mail: bestellung@huss-shop.de www.huss-shop.de Preisänderungen und Liefer möglichkeiten vorbehalten Das Standardwerk zur Schutztechnik Geräte zur Messwerterfassung (Wandler) Messgrößenverarbeitung (analoge und digitale Schutzsysteme) Steuer- und Meldestromkreise Schutzsysteme für Motoren, Transformatoren, Leitungen und Generatoren Schutzsysteme für weitere Betriebsmittel Arbeitssicherheit, Unfallverhütung, Brandschutz Messen und Prüfen, Nachweis der Prüfungen Statistik in der Schutztechnik und Tendenzen Doemeland, Handbuch Schutztechnik, 8., überarb. Aufl. 2007, 440 S., 300 Abb., Hardcover, Bestell-Nr. 3-341-01520-9, 58,00 8., Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 6 508 Abwärme nutzen Es ist möglich, bis zu 94 % der für die Versorgung der Kompressoren eingesetzten elektrischen Energie als Abwärme zu Heizzwecken zu nutzen. Das Temperaturniveau der Ölkühler ist mit rund 90 °C hervorragend geeignet, um über Wärmetauscher einen Beitrag zur Beheizung von Fertigungshallen und Büros oder Warmwasserbereitung zu leisten. Lebenszykluskosten berechnen Die Lebenszykluskostenrechnung (LZK) betrachtet die Gesamtkosten der Anlagentechnik während ihrer Nutzungsdauer. Die Energiekosten bei Druckluftsystemen haben einen Anteil an den Gesamtkosten von 78 %, während die Investitionskosten demgegenüber lediglich 16 % betragen. Wenige Prozentpunkte der Energieeffizienz haben damit großen Einfluss auf die Betriebskosten. Gerade deshalb ergeben sich oft besonders wirtschaftliche Investitionen in effiziente Technik (Bild ). Die Senkung energiebezogener Betriebskosten sollte bei der wirtschaftlichen Betrachtung motorgetriebener Systeme im Mittelpunkt stehen. Das alleinige Orientieren am Investment bei der Neubeschaffung von Anlagen ist nicht nachhaltig und wirtschaftlich, da eventuell bereits nach zwei Jahren die Energiekosten das Investment übersteigen. Das ist eine Herausforderung für die verantwortlichen Führungskräfte angesichts der organisatorischen Trennung von Einkauf und Betrieb. Der entscheidende Moment ist die Neu- oder Ersatzbeschaffung. Bei diesen Entscheidungen ist die Kapitalrendite der Mehrkosten für das effizientere Produkt zu berechnen. Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals für höhere Effizienz kann Beträge erreichen, die alternativ nur mit riskanten Börsenspekulationen zu erzielen sind. Eine Investition in effiziente Technik im eigenen Unternehmen ist in solchen Fällen vielfach geschickter. Nur wenn es Anliegen der Firmenleitung ist und die verantwortlichen Positionen entsprechend ausgestattet sind, gelingt es, die unterschiedlichen Sektionen zum Ziel der Energieeffizienz zusammenzuführen. Checkliste Anhand der folgenden Fragen können Unternehmen erkennen, welche Bedeutung die Querschnittstechnologien im Fertigungskontext haben: · Wie hoch ist der Anteil der Stromkosten, insbesondere der motorbetriebenen Systeme? · Welcher Wettbewerbsvorteil ergibt sich durch effizientere Technik? · Welche Rolle spielen nichtmonetäre Faktoren wie Zuverlässigkeit der Produktionsanlagen und Produktqualität? · Wer ist verantwortlich? · Werden die Energiekosten kontinuierlich erfasst und kommuniziert? Dabei ist zu beachten, dass in großen Unternehmen mehrere Vollzeitstellen für diese Aufgabe erforderlich sind, alternativ sollten externe herstellerunabhängige Spezialisten eingebunden werden. Bestand aufnehmen und analysieren Wie bei Energiefragen nicht selten der Fall, ist in Unternehmen der Bedarf des Luft-Volumens und -Drucks nicht immer exakt bekannt. Deshalb ist bei bestehenden Druckluftanlagen eine aussagekräftige Analyse des Ist-Zustandes erforderlich. Wenn die Zusammenhänge klar dargestellt sind, können die schlummernden Effizienzpotentiale aufgedeckt werden. Die Aufzeichnungen von Luftbedarf und Druck müssen zu Produktionszeiten erfolgen, die typische Einsatzfälle widerspiegeln. Durch die Bewertung des gesamten Systems lässt sich feststellen, welche Maßnahmen kurzfristig umsetzbar sind, welche Maßnahmen noch näher untersucht werden müssen und welches Investment weniger oder hoch rentabel ist. Die Energieagentur Mittelfranken bietet hierfür seit 2005 den „EAM-Druckluft-Check“ an. Die Bestandsaufnahme fokussiert sehr schnell die Aufmerksamkeit auf die Potentiale, die kurzfristig Verbesserungen bringen. Allerdings sind die Optimierungen nach ABC-Analysen zu strukturieren und in Aktionspläne einzubinden. Es gilt die Chancen zu nutzen, die bei Ausfall von Komponenten bestehen, um effizientere Neutechnik in Einsatz zu bringen. Fazit Von der Druckluftanwendung über das Druckluftnetz bis hin zur Druckluftaufbereitung und -erzeugung lässt sich die Energieeffizienz teilweise erheblich steigern. Sowohl kostengünstige Sofortmaßnahmen wie Leckagebehebung als auch längerfristige kapitalintensivere Maßnahmen sollten berücksichtigt werden. Schulung der technisch Zuständigen und Sensibilisierung für Energieverbrauchskosten ist für eine dauerhafte Effizienzsteigerung unabdingbar. Bei Neuanschaffungen sollten immer Lebenszykluskosten berechnet werden, um - auch für die kaufmännischen Entscheider - die Investitionen in energieeffiziente Technik nachvollziehbar darzustellen. Literatur [1] Radgen, P.: Fraunhofer ISI, Compressed Air Systems in the European Union. [2] Kupp, S.: Broschüre Effiziente Druckluftsysteme im Auftrag des Bayerischen Landesamt für Umweltschutz, IHK, Umweltpakt Bayern. [3] Kupp, S.: Verfügbarkeit von Druckluftanlagen, VDI-Berichte 1681. WEB-TIPP Weitere Informationen auch im Internet: · Broschüre Effiziente Druckluftsysteme zum Download www.bestellen.bayern.de/shoplink/ lfu_klima_00028.htm · Motor-Challenge-Programm der EU www.motorchallenge.de · Effiziente Druckluft - eine Kampagne von Energie Schweiz www.druckluft.ch/index.php · Energieagentur Mittelfranken www.eamfr.de Energiekosten Investitionskosten Wartungskosten 16 % 78 % 6 % Energiekosten bei Druckluftanlagen Nach zwei Jahren kostet Energie so viel wie die Anschaffung Unterschiedliche Kompressoren lassen sich im Verbund steuern FÜR DIE PRAXIS Anlagentechnik
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- S. Kupp
- J. M. Betz
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